Witten. Der 42-Jährige wurde bereits verurteilt, ging jedoch in Berufung. Das Gericht ordnete nun ein Gutachten an.
Im Oktober sorgte ein ausländerfeindlicher Fall für Aufsehen: Ein 42-Jähriger hatte eine junge syrische Familie auf der Annenstraße mit einer Umhängetasche angegriffen und den Hitlergruß gezeigt - so sah es im April jedenfalls das Wittener Amtsgericht und verurteilte den Mann zu einem Jahr und neun Monaten Haft. Vor dem Bochumer Landgericht kämpft er nun um einen Freispruch.
Doch bereits zu Beginn der Berufungsverhandlung machte Richterin Christine Katzer klar, dass es nicht gut für den Angeklagten aussieht. "Nach Aktenlage spricht viel dafür, dass das erstinstanzliche Urteil bestätigt wird", sagte sie. Das Amtsgericht hatte den Wittener wegen gefährlicher Körperverletzung und Verwendung nationalsozialistischer Zeichen verurteilt. Demnach war er auf die Familie zugegangen und hatte sie beschimpft: Sie seien in Deutschland unerwünscht. Daraufhin schleuderte er seine große Umhängetasche gegen die jungen Eltern und das dreijährige Kind im Kinderwagen. "Verabschiedet" hatte er sich mit dem sogenannten Hitlergruß. Was dieser bedeutet und dass dieser strafbar ist, hatte die junge Familie nach eigener Aussage erst später erfahren.
Im Berufungsprozess beteuert der Angeklagte wie schon in erster Instanz seine Unschuld. Er sei zum Tatzeitpunkt in einer Kneipe gewesen, wiederholte er seine Geschichte. "Ich habe die Familie bis zum Tag der ersten Verhandlung noch nicht gesehen", sagte er am Dienstag.
Erneute Ermittlung in ähnlicher Sache
Ob das stimmt, scheint mehr als zweifelhaft. Nicht nur, dass er noch keine Entlastungszeugen benennen konnte. Gegen ihn wurde in einer ähnlichen Sache wieder ermittelt. Vor allem aber, betonte die Richterin: Die geschädigte Familie hätte sich "sehr ausführlich und konstant zu dem Vorfall geäußert", die Aussagen seien "in sich stimmig und widerspruchsfrei" gewesen. Und: Sie hätte den Angeklagten auf Polizeibildern eindeutig wiedererkannt.
Der Prozess ist nun zunächst bis Oktober ausgesetzt. In der Zwischenzeit soll der Wittener begutachtet werden. Es steht die Frage im Raum, ob er überhaupt schuldfähig ist und ob er die Taten aufgrund von Alkoholproblemen begangen hat. Dann wäre eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt möglich.
Der Staatsanwalt wollte aufgrund seiner Probleme mit der geschlechtlichen Identität auch die Möglichkeit einer Unterbringung in einer Psychiatrie prüfen. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass mit Ihnen über den Alkohol hinaus etwas nicht stimmt." Zu einer Einweisung in eine Psychiatrie wird es aber nicht kommen, weil dies "schwere" zu erwartende Straftaten erfordert.
Von Dennis Sohner