Gamze K. wurde auf offener Straße ins Gesicht geschlagen. Die brutale Tat entsetzt ganz Deutschland.
Kiel | Die Attacke auf eine Muslima in Kiel hat bundesweit Bestürzung ausgelöst. Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck sprach von einer „neuen Qualität der Hasskriminalität in Deutschland“. Nach derzeitigen Erkenntnissen der Ermittler war der mutmaßliche Täter kein Deutscher.
Als Tatverdächtigen hat die Polizei einen Mann (55) ermittelt, der wegen verschiedener Straftaten aktenkundig sein soll. Darunter aber wohl keine mit fremdenfeindlichem oder rassistischem Bezug. „Der Tatverdächtige ist nichtdeutscher Herkunft“, erklärte Oberstaatsanwalt Bieler. Der Staatsschutz ermittele.
Der Mann soll der türkischstämmigen Deutschen Gamze K. (35), die ein Kopftuch trug, am Sonnabend auf offener Straße mitten ins Gesicht geschlagen haben. Vor dem Angriff soll er „Scheiß Muslima“ gebrüllt haben. Die Mutter von drei Kindern erlitt Prellungen und einen Nasenbeinbruch, wird am Freitag operiert.
Der religionspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, sagte am Dienstag: „Wir müssen uns alle gemeinsam dafür einsetzen, dass Menschen, die in Deutschland ein Kopftuch, eine Kippa oder einen Schleier tragen, nicht angegriffen werden.“ Solche Angriffe auf die Religionsfreiheit seien „immer auch ein Angriff auf unsere Demokratie und unser aller Freiheit“.
Der Vorfall ereignete sich im Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf. „Es ist alles in Sekunden passiert“, sagte Gamze K., die sich kurz nach 11 Uhr zu Fuß auf den Weg zum Einkaufen gemacht hatte, als es plötzlich zu dem Angriff kam. „Das war so brutal wie bei einem Boxer, der einen K.O.-Schlag macht.“ Sie stürzte stark blutend zu Boden und beobachtete, wie der Schläger sich vom Tatort entfernte. „Der ist nicht einmal gerannt, er ist einfach gegangen, als ob nichts passiert wäre“, berichtet die Muslima.
In den türkischen Vereinen Kiels hat der Angriff große Betroffenheit ausgelöst. „Wir haben uns in Kiel bisher wohl und sicher gefühlt, und nun passiert so etwas“, sagte Ali Ihsan Özdemir, Vorstandsmitglied des Vereins Türkische Gemeinde. Er sei sehr traurig über die Tat, beklagte Cebel Kücükkaraca, Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein.
„Ich fordere alle Dietrichsdorfer zur Solidarität mit unserer muslimischen Nachbarin auf“, sagte Mike Preuß vom Ortsbeirat der Linken. Und Cetin Yildirim, migrationspolitische Sprecher der CDU-Ratsfraktion, erklärte: „Solche Straftaten stellen einen Angriff auf unsere offene und tolerante Gesellschaft und damit auf uns alle dar.“ Kiel sei eine bunte und tolerante Stadt und werde es auch bleiben, „wenn wir alle gegen Gewalt und Intoleranz zusammenhalten“.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Eka von Kalben, stellt angesichts der „abscheulichen Tat“ fest: „Auf Worte folgen Taten.“ Kalben sieht einen Zusammenhang: „Die Ideologie der AfD ist nicht zu verharmlosen“, erklärt die Grünen-Fraktionschefin. „Von rechten, menschenverachtenden Parolen ist der Weg zu körperlicher Gewalt nicht mehr weit.“