Dürften Medien einen Rassisten als Rassisten bezeichnen? Und wenn ja, wer bestimmt eigentlich, was Rassismus ist? Diese Fragen wirft ein Streit zwischen Radio Dreyeckland und dem AfD-Funktionär Oliver Kloth auf. Wie vollständig müssen Medien berichten, damit der Durchschnittsleser, -hörer oder zuschauer den richtigen Eindruck bekommt, so wie es der Bundesgerichtshof verlangt? Aber wer legt fest, ob ein Bericht den Kern getroffen hat – und wer weiß, was Otto Normalverbraucher dazu denkt? Die Antwort darauf soll das Landgericht geben, das sich am Dienstag die Argumente der Gegner anhörte.
Von Uwe Mauch
Die Stühle reichen nicht im Sitzungssaal der Zweiten Zivilkammer. Das 
linke Privatradio hat erfolgreich mobilisiert. Richter Knaup, der allein
 verhandelt, stellt sogar einige Stühle von seinem Tisch zur Verfügung. 
Radio Dreyeckland (RDL) wird vertreten von Udo Kauß. Sein Gegenüber, der
 dem Sender "verdrehte Berichterstattung" vorwirft, vertritt sich 
selber: Oliver Kloth, in Landwasser aufgewachsen, lebt in der March und 
hat eine Anwaltspraxis in Teningen. Ausgangspunkt ist seine 
zweieinhalbminütige Rede in einer Veranstaltung in Landwasser, in der 
die Stadtverwaltung über die geplante Flüchtlingsunterkunft informieren 
wollte und die – nicht zuletzt nach Kloths Rede – eskalierte.
Er will gerichtlich erreichen, dass RDL ihn nicht mehr als 
"rassistischen Anwaltsredner" bezeichnen darf. Und er macht mehrere 
falsche Zitate geltend. An jenem Abend habe er sich um differenzierte 
Darstellung bemüht. Was RDL daraus gemacht habe, sei "nicht in Ordnung".
 Eine Hexenjagd sei eröffnet worden. Kloth spricht von "pogromartiger 
Stimmung".
Richter Knaup stellt klar, dass es um eine rechtliche und nicht 
politische Bewertung gehe. Und dabei bezieht er sich auf ein Urteil des 
Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2005. Danach ist eine unvollständige 
Berichterstattung wie eine falsche Tatsachenbehauptung zu behandeln, 
wenn durch das Verschweigen von Tatsachen ein falscher Eindruck beim 
Durchschnittsleser entstehen kann. In der Praxis ist jeder Bericht – ob 
in der Zeitung, im Radio oder im Fernsehen – unvollständig. Er muss also
 den Kern treffen, damit der unbefangene Leser die richtige 
Schlussfolgerung zieht. Dass die vollständige Rede nur ein Klick weit 
entfernt anzuhören ist, spielt für Knaup keine Rolle. Aber was heißt das
 alles im Fall Kloth gegen RDL?
Der kleine Sender hat – wie fast immer – Meinung und Nachricht in seinem
 Bericht über jenen Abend mehr vermischt als branchenüblich. Einige 
Zitate sind nicht hundertprozentig korrekt, und der Beitrag bezeichnet 
ihn fälschlich als Ortsvorsitzenden der AfD March.
Aber bekommt der User einen falschen Eindruck? Hat nicht vielmehr Oliver
 Kloth einen falschen Eindruck erst erweckt, dessen Folgen ihm jetzt zu 
schaffen machen? Denn er sprach davon, dass er beruflich viele Ausländer
 auch in Asylverfahren begleitet habe, die allesamt falsche Asylgründe 
angegeben hätten. Daraus schließen Kritiker, er habe das 
Vertrauensverhältnis zu seinen Mandaten gebrochen. RDL-Anwalt Udo Kauß 
findet sogar, dass er gegen deren Interessen gehandelt habe: "Jeder 
Staatsanwalt kann nun prüfen, welches Ihre Mandanten waren und Asyl 
erhalten haben."
Kloth sieht darin eine "Rufschädigung" und orakelt, es bleibe offen, ob 
ein solches Mandanten-Verhältnis überhaupt bestanden habe. "Das war Ihre
 Interpretation", sagt der Kläger, und die sei falsch. Später kommt 
heraus, dass Kloth gegenüber der Rechtsanwaltskammer eingeräumt hat, nie
 einen Asylbewerber vertreten zu haben. Was aber bedeutet in diesem 
Zusammenhang seine Aussage, Asylbewerber beruflich "begleitet" zu haben.
 Kloth äußert sich dazu nicht.
Aber ist der AfD-Aktivist deshalb ein Rassist? "Eine sachlich-kritische 
Auseinandersetzung ist noch kein Rassismus", findet Richter Knaup – 
"ganz nach dem Motto, so etwas wird man doch mal sagen dürfen", fährt 
RDL-Anwalt Udo Kauß dazwischen. Er hält die Rede seines Kollegen für ein
 "Machwerk" und bekommt Unterstützung von Ulrich Bröckling, Professor 
für Kultursoziologie an der Uni Freiburg, den er um eine Expertise 
gebeten hatte. Darin heißt es: "Die
 zitierten Äußerungen von Herrn Kloth mit ihrer Rhetorik des diffusen 
Pauschalverdachts gegen Flüchtlinge in diesem Sinne als ,rassistisch’ zu
 bezeichnen, entspricht daher durchaus dem gegenwärtigen Verständnis von
 Rassismus." Für Kloth ist Bröckling nicht neutral, da er als 
Referent der Antifa auftrete. "Ein anderer Professor würde zum Gegenteil
 kommen."
Nach zwei Stunden schließt Knaup die mündliche Anhörung. Seine 
Entscheidung will er am 14. Juli bekannt geben. Jetzt hat er erst einmal
 Urlaub.


