In Sebnitz ist Bundespräsident Gauck beim Besuch des Deutschen Wandertages in einer einem Staatsoberhaupt unwürdigen Weise beschimpft worden. Gegen zwei Beteiligte laufen nun Strafverfahren. Die Polizei ermittelt außerdem wegen des Verdachts der Beleidigung. Verbalattacken werden indessen unterschiedlich bewertet. Der Sebnitzer Rathauschef Ruckh ärgert sich zwar über die Störer, meint aber, dass das eine Demokratie aushalten müsse. Ganz anders sieht es Sachsens Regierungschef Tillich.
Nach den Pöbeleien gegen Bundespräsident Gauck gestern in Sebnitz sind gegen zwei Beteiligte Strafverfahren eingeleitet worden. Wie die Polizeidirektion Dresden mitteilte, wird gegen einen 30 Jahre alten Mann wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Verstoßes gegen das Waffengesetz und wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Er soll versucht haben, eine Art Broschüre in Richtung Gauck zu werfen. Auf dem Rücken trägt der 30-Jährige den Informationen zufolge ein Hakenkreuz-Tattoo. Außerdem hatte der mutmaßliche Neonazi der Polizei zufolge ein Messer bei sich. Ein zweites Verfahren richtet sich gegen eine andere Person, von der die Polizei noch keine Personalien hat. Zudem wurden fünf Platzverweise ausgesprochen.
Ermittlungen wegen Beleidigung
Die Polizei bezifferte die Gruppe der Störer am Rathaus auf 50 und auf dem Marktplatz auf etwa 180 Personen. Die Beamten ermitteln nun wegen des Verdachts der Beleidigung. Allerdings sei es sehr schwer festzustellen, wem letztlich welche Beleidigungen zugeordnet werden können, sagte eine Polizeisprecherin. Die Personalien von neun Verdächtigen wurden aufgenommen.
Gauck könnte auch klagen
Darüber ob weitere Konsequenzen folgen werden, gab das Bundespräsidialamt noch keine Auskunft. Die Verunglimpfung des Bundespräsidenten steht unter Strafe. Allerdings müsste Gauck selbst die Strafverfolgungsbehörden explizit zu Ermittlungen ermächtigen. In früheren Fällen hat dem Amt zufolge Gauck jedoch stets davon abgesehen. Verunglimpfungen des Bundespräsidenten stehen nach Paragraf 90 des Strafgesetzbuchs unter Strafe.
Reaktionen unterschiedlich
Der Oberbürgermeister von Sebnitz, Mike Ruckh, will die Pöbleleien gegen Bundespräsident Joachim Gauck nicht überbewerten. Er verglich in einem Gespräch mit MDR SACHSEN die Verbalattacken gegen das Staatsoberhaupt mit einem Gewitter. Danach schüttele man sich und blicke nach vorn. Er bedauerte die unschönen Bilder, die von Sebnitz ausgingen. Sowohl Gauck als auch Ruckh seien aber auf Protest eingestellt gewesen. Deshalb habe man sich auch vom Besuchsprogramm nicht abbringen lassen. Im Vorfeld hatte es Aufrufe im Internet gegeben, den Besuch des Bundespräsidenten zum Spießrutenlauf werden zu lassen. So hatte die Rechtspopulistin und frühere AfD-Politikerin Tatjana Festerling im Internet dazu aufgerufen, nach Sebnitz zu kommen. Sie unterstellte dem früheren Pfarrer Gauck Verbindungen zur Stasi in der DDR.
Beleidigungen gegen Gauck
Gauck war als Schirmherr des Deutschen Wandertages nach Sebnitz gekommen. Auf seinem Weg ins Rathaus gab es aus einer Gruppe heraus Buh-, "Gauck verschwinde" und "Volksverräter"-Rufe. Demonstranten zeigten den Mittelfinger oder trugen Fahnen mit der Aufschrift "Das Pack grüßt Gauck". Als Gauck aus dem Rathaus kam, begannen die Gegner wieder mit ihren Rufen und warfen laut Polizei mit Bonbons. Augenzeugenberichten zufolge soll es zwischen den Anhängern und Gegnern von Gauck zu tumultartigen Szenen gekommen sein. Ein MDR SACHSEN-Reporter bestätigte, dass die Störer kleine Lautsprecher dabei hatten.
Auf einem bei Youtube verbreiteten Video ist zu sehen, wie Polizisten den Mann aus der Menge zerren. Dabei setzten Beamte auch Pfefferspray ein. Ein unbeteiliger Passant geriet in den Sprühnebel. Der Geschädigte habe sich bisher noch nicht bei der Polizei gemeldet, hieß es.
Mehrzahl der Störer von auswärts angereist
Der Sebnitzer Oberbürgermeister bezeichnete die Störer als
"Berufsdemonstranten". Ruckh sagte MDR SACHSEN, 90 Prozent der Störer
seien keine Sebnitzer gewesen. Es habe Demo-Anmeldungen aus Delitzsch
gegeben, auch Pegida Dresden sei aktiv gewesen. Andere Gauck-Gegner
seien aus Halle angereist. Eine Demokratie müsse das aber aushalten, so
Ruckh.
Eine Sprecherin von Gauck bestätigte, dass es sehr heftig
verbale Angriffe auf den Präsidenten gegeben habe. "Das war nicht
schön." Der Präsident habe es zur Kenntnis genommen, aber auch
freundliche Menschen getroffen und ihnen die Hand gereicht.
Tillich und Maas kritisieren Demonstranten
Bundesjustizminister Heiko Maas bezeichnete die Attacken auf Gauck "erschreckend und verstörend". Es dürfe nicht zugelassen werden, dass eine radikale Minderheit die Deutungshoheit über das gesellschaftliche Klima erhalte. Es sei die Mehrheit der Gesellschaft gefordert, dies nicht hinzunehmen. Maas selbst war am 1. Mai bei einer Kundgebung in Zwickau in ähnlicher Weise bedrängt worden.