Extremismustagung in Bern

Extremismus

„Prävention und Bekämpfung von Radikalisierung und Extremismus: Die Rolle der Städte“. So lautet der polemische Titel einer Tagung am 23. Juni im berner Kursaal. Wir haben einen genaueren Blick auf das vom Städteverband organisierte Meeting geworfen.

 

Ich bin der Meinung, daß es für uns [..] schlecht ist, wenn der Feind nicht gegen uns Front macht, denn in diesem Fall würde es doch bedeuten, daß wir mit dem Feind unter einer Decke steckten. Wenn wir vom Feind bekämpft werden; dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, daß wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten läßt, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, daß wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daß unsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat.
Mao - 26. Mai 1939

 

In der Beschreibung zur Tagung wird mit dem Hinweis eingeleitet, dass die „aktuelle Gefährdungslage [...] vor allem durch den jihadistisch motivierten Extremismus gezeichnet“ ist. Gleich im nächsten Satz folgt die erste Präzisierung, dass „alle Formen von gewalttätigen Extremismus angegangen werden“ müssen. Die „aktuelle Gefährdungslage“ wird somit um die Komponenten des „Links- und Rechtsextremismus“ erweitert und alles wird auf eine gleiche Ebene, die des „Extremismus“ gestellt.

 

Dies zeigt zwei wichtige Gedankengänge des Staates in der Verwaltung seiner Macht. Einerseits schiebt er den Kampf gegen „islamistischen Terror“ vor, um seine Überwachung auszubauen. Andererseits hat der Staat weder eine Definition darüber wer nun „Extremist“ ist, noch eine Analyse über die politischen Ursachen einer Radikalisierung. Dem Staat geht es hauptsächlich darum Instrumente zu schaffen, die er nach Belieben gegen jede*n einsetzen kann, um seine Kontrolle aufrechtzuerhalten. Schon der Titel der Tagung offenbart, worum es der herrschenden Klasse geht, nämlich den Fokus auf „Prävention“ und vor allem „Bekämpfung“ zu legen.  Dabei wird nicht nur auf die klassische „Repression der staatlichen Sicherheitsbehörden“ zurückgegriffen, sondern auch auf das Bildungs- oder Sozialsystem.

 

2016 bemüht sich der schweizer Staat besonders im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus. Allein am Anfang dieses Jahres wurden 86 zusätzliche Stellen zur Terrorismusbekämpfung geschaffen. Im April fand in Genf eine von der UNO und der Schweiz organisierte Konferenz zur Prävention von Extremismus statt. Aktuell läuft die Unterschriftenkampagne gegen neue Bundesgesetze zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.

 

Die Argumentationskette für mehr Sicherheit ist immer dieselbe. Die Bedrohungslage durch „islamistischen Terror“ wird als Türöffner für mehr Überwachung genutzt. Dabei sind in vielen europäischen Staaten ähnliche Voten zu vernehmen und die Repression erlebt eine neue Welle der Aufrüstung. In Frankreich ist seit über einem halben Jahr der Ausnahmezustand verhängt, in Belgien und in der Türkei fahren Panzer durch die Städte und in Deutschland sind Sonderkommandos im Dauereinsatz gegen „Terroristennester“.


Allerdings können die Angriffe der Repressionsorgane alle treffen. In Deutschland, Holland und England, wurden beispielsweise Menschen verhaftet, die sich im Kampf gegen den Islamischen Staat in Rojava anschlossen. Aktuell findet in Deutschland der grösste Terrorprozess seit den 90ern statt, welcher gegen Mitglieder der migrantischen Arbeiterorganisation ATIK geführt wird. In Frankreich werden Antiterrorgesetze genutzt, um soziale Proteste zu bekämpfen. Mithilfe des Ausnahmezustands sollte diese Woche eine Gewerkschaftsdemonstration verboten werden. Demonstrationen werden so faktisch mit Terrorismus gleichgesetzt. Diese Ausblicke von Kämpfen gegen den „islamistischen Terror“ zeigen, was uns alle demnächst erwarten könnte.

 

Die Einsatzbereitschaft gegen Extremismus verfolgt einerseits das Ziel, die Macht zu sichern und andererseits bildet es eine Vorbereitung auf kommende soziale Spannungen. Die Teilnehmerliste der Tagung offenbart, dass viele Vertreter*innen auf der Wirtschaft anwesend sein werden.

 

Das Programm der Tagung widerspiegelt den aktuellen repressiven Diskurs in der Schweiz.
Eröffnen wird Sicherheitsfanatiker Reto Nause, der in Bern schon mal von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ fantasiert und mit aller Härte gegen ausserparlamentarische Bewegungen vorgehen will. Zu seinem Repressionskatalog gehören u.a. pauschale Telefon- und Mailüberwachungen, massenweise DNA-Tests (seine Polizei wurde übrigens wiederholt vom Bundesgericht wegen unverhältnismässiger DNA-Abnahme zurückgepfiffen) und vergebliche Klagen gegen Facebook.

 

Der erste Block der Tagung dreht sich um die „Versuchungen im Internet“. In Bern werden immer wieder soziale Medien als Hauptursache für Mobilisierungen genannt. Medial präsent war vor allem der vergebliche Versuch nach dem Tanz dich Frei 3, IP-Adressen von Facebook zu verlangen. Da das Internet nicht einfach verboten werden kann, wird versucht selbiges als eine Quelle des Extremismus darzustellen.

 

Als zweiter Punkt werden „extremistische Tendenzen“ in der Armee thematisiert. Hier offenbart sich wieder einmal der hohe Stellenwert der Armee für den Staat. Im Zweifelsfall muss sich der Staat auf die Gewehre und seine Armee verlassen können.

 

Die Armee wird immer öfter in der Aufstandsbekämpfung geschult. Im Rahmen der militärischen Conex Übung im vergangen Herbst wurde ein Szenario eines „fiktiven Europas“ gezeichnet, in der die Armee beispielsweise gegen Plünderungen oder soziale Aufstände eingesetzt werden würde. Infos zur NoConex Kampagne gibt es unter https://noconex15.noblogs.org/

 

Im weiteren Verlauf werden Rechts- und Linksextremismus und sogar Hooliganismus behandelt, bevor kurz vor der Mittagspause ein 20-minütiges Referat über „jihadistische Radikalisierung in der Schweiz“ abgehalten wird. Halten wir also fest, in jener Tagung in der damit geworben wird, dass der „jihadistisch motivierte Extremismus“ die Hauptgefahr für die Sicherheit darstellt, wird das selbsternannte Hauptproblem gerade mal 20 Minuten behandelt (die Tagung dauert übrigens 8.5 Stunden).

 

Im Nachmittagsprogramm dürfen sich anschliessend verschiedene Stadtpräsidenten (mit SP Beteiligung) und Departementsvorsteher mit ihrer Präventionsarbeit brüsten.

 

Als Referent über das Thema Linksextremismus tritt im Übrigen Adrian Oertli auf. Adrian inszenierte sich im Februar medial als „Aussteiger der Linksextremem Szene“. Er war lange auf der Suche nach Anschluss, konnte diesen aber nie finden und flog aus diversen Gruppen. Heute kann er sich als „Experte“ verkaufen und macht so seine Kohle. Bei rund 300 Personen, die an der Tagung teilnehmen und Teilnahmegebühren von 320.- bis 420.- bezahlen wird wohl auch ein kleiner Batzen für Adrian rausspringen.

 

Das Fazit der Tagung wird sein, dass der Extremismus auf dem Vormarsch ist und die Sicherheitsorgane aufrüsten müssen. Dies wird in Bern vor allem Reto Nause nutzen, um seine Law and Order Politik in Zukunft weiter voranzutreiben.

Unsere Freiheit stirbt mit ihrer Sicherheit

 

Antiautoritäre Maoisten – 22.06.2016 3. Sektion Bantiger Nord