Brennende Autos in Prenzlauer Berg, Barrikaden in Friedrichshain, Trümmer und Scherben in Kreuzberg, abgefackelte Mülltonnen in Treptow. In der Nacht zum Donnerstag randalierte ein Chaoten-Mob auf Berlins Straßen.
Nach dem Polizeieinsatz am Mittwoch in einem ehemals besetzten Haus in Friedrichshain wurden in der Nacht zum Donnerstag zahlreiche Autos entglast und in Brand gesteckt, Barrikaden errichtet und Scheiben eingeworfen.
Es begann mit einem Marsch von rund 200 Linken, die gegen den Polizeieinsatz in der Rigaer Straße 94 protestierten. Sie bahnten sich ihren Weg durch die Wrangelstraße in Kreuzberg in Richtung Görlitzer Park und stellten dabei Barrikaden auf, damit ihnen die Polizei nicht folgen konnte. Im Görlitzer Park blieb eine befürchtete heftige Auseinandersetzung zwischen Autonomen und der Polizei aus. Der Ruhe am Abend sollte das Chaos in der Nacht folgen.
Die Polizei war mit einem größeren Aufgebot im Einsatz, von einem Polizeihubschrauber aus wurde die Lage aus der Luft beobachtet. Bis auf einige in Brand gesteckte Mülltonnen sei die Lage ruhig geblieben, hieß es zunächst von der Polizei in der Nacht auf Donnerstag.
Chaos in der Schlesischen Straße
Gegen 22 Uhr flogen jedoch die ersten Steine. Zuerst traf es die Fensterscheiben des Verdi-Gebäudes an der Köpenicker Straße in Kreuzberg. Die Spur der Verwüstung zog sich dann in kurzer Zeit weiter bis in die Schlesische Straße. Hier machte der Mob Halt und hinterließ deutliche Spuren.
Die unerfreuliche Bilanz: Mehrere zerbrochene Scheiben an Autos, darunter ein Taxi, ein Mobil eines Car-Sharing-Anbieters und weitere Autos. Pflastersteine wurden von der Polizei in Tüten gepackt, um etwaige DNA Spuren sichern zu können. „Festnahmen gab es zunächst nicht”, sagte ein Sprecher der Polizei am Morgen.
Scherben und brennende Mülltonnen
Auch Mülltonnen wurden angezündet und mitten auf die Schlesische Straße geschoben. In der Liebigstraße in Friedrichshain wurden ebenfalls Mülltonnen in Brand gesteckt und auf der Fahrbahn platziert. Auf der Puschkinallee in Treptow standen brennende Barrikaden.
Neben den Fensterscheiben der Fahrzeuge wurden bei der Randale in der Schlesischen Straße auch die Scheiben von Eingangstüren von Wohnhäusern eingeworfen. Ebenfalls zu Bruch gingen die Glasscheiben der Bushaltestelle an der Ecke Falckensteinstraße.
Das Bezirksamt Kreuzberg in der Schlesischen Straße wurde mit Farbbomben und Steinen attackiert. Beamte sicherten Spuren und verpackten auch hier zu diesem Zweck Steine in Tüten. Etwas weiter nordöstlich haben Unbekannte Steine in die Fensterscheiben der Sparkasse in der Heinrich-Heine-Straße in Kreuzberg geworfen. Die Täter hinterließen an einer Bank Schriftzüge wie „Love R 94” und „Hate Cops”, wie die Polizei mitteilte. Mit „R 94” könnte das Haus in der Rigaer Straße gemeint sein.
Z4 auf dem Gehweg abgefackelt
In der Glaßbrennerstraße in Prenzlauer Berg schoben Unbekannte einen BMW Z4 auf den Gehweg und zündeten ihn an. Er stand lichterloh in Flammen. Die Feuerwehr löschte den Brand. In derselben Straße versuchten die Unbekannten weitere Autos anzuzünden. Auf einem Reifen eines anderen Fahrzeugs wurde ein erloschener Grillanzünder gefunden.
In der Finnländischen Straße – ebenfalls in Prenzlauer Berg – standen Baumaschinen in Brand.
Feuerschneisen und brennende Autos
In der Wohnanlage Dora-Benjamin-Park auf der Halbinsel Stralau in Friedrichshain sind weitere Fahrzeuge in Flammen aufgegangen. Auf den Straßen brannten meterlange Feuerschneisen. Zeitgleich zündeten die Unbekannten in der Alexandrinenstraße einen Wagen an. Die ersten Flammen konnten jedoch schnell gelöscht werden, bevor das Auto richtig Feuer fing.
„Festnahmen gab es nicht“, sagte der Sprecher. Ob die Straftaten in Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz in der Rigaer Straße stehen, war zunächst nicht ganz klar, es wird aber vermutet.
Am Donnerstagmorgen äußerte sich Innenpolitiker Benedikt Lux (34, Grüne) zur Randale-Nacht: „Die Eskalationslage ist fürchterlich. Sie lässt mich ratlos werden. Gewalt kann niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Wir brauchen eine Politik, die konsequent für Anwohner in Friedrichshain streitet.“
Auch CDU-Innenpolitiker Peter Trapp findet klare Worte, verteidigt die Polizei: „Es war richtig, den Hauseigentümer in der Rigaer Straße dabei zu unterstützen, Flüchtlingsunterkünfte einzurichten, die Chaoten verhindern wollen. Für die Gewalteskalation im Nachgang gibt es keine Entschuldigung.“
Räumung der „Kadterschmiede“ in Friedrichhain
Eine Werkstatt und eine Kneipe der linksextremen Szene in der Rigaer Straße waren am Mittwoch im Auftrag der Hausverwaltung geräumt worden. 300 Polizisten schützten rund um das von Autonomen bewohnte Haus Nummer 94 laufende Bauarbeiten. In der Werkstatt stellten die Beamten einen Koffer mit drei Schlagstöcken und – nach erster Einschätzung – eine Gaspistole sicher.
Das Haus in der Rigaer Straße 94 stand bereits im Januar im Mittelpunkt eines umstrittenen Polizei-Großeinsatzes mit 550 Beamten. In dem Gebiet gab es in den vergangenen Jahren laut immer wieder gewalttätige Aktionen der linksextremistischen Szene – etwa Farbbeutel- und Steinwürfe sowie Brandstiftungen.
Eine „Pressemitteilung“, die am Mittwochnachmittag vom Autor „Rigaer 94“ auf der linksautonomen Plattform „indymedia“ veröffentlicht wurde, kündigte die Krawalle am Abend und in der Nacht bereits an. Dort heißt es: „Wir sind scheiße wütend, lasst es richtig knallen, schafft viele Gefahrengebiete, stürzt Berlin ins Chaos!“.
Henkel und Schreiber zur Rigaer Straße
Innensenator Frank Henkel (CDU) unterstrich in der RBB-„Abendschau” am Mittwochabend, dass er weiterhin gegen jeglichen Extremismus hart durchgreifen werde. Der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber nannte das Vorgehen gegen die Autonomen-Kneipe „Kadterschmiede“ eine „logische Konsequenz und folgerichtige Reaktion des Rechtsstaates”. Gleichzeitig merkte er in der „Abendschau” an, dass es nicht Aufgabe der Polizei sein könne, private Bauvorhaben zu schützen.
(mit dpa)