Niemand ist vergessen! – In Gedenken an André K.

Gedenktafel für André K. am Südbahnhof Oschatz

In der Nacht zum 1. Juni 2016 brachte die Gruppe “Niemand ist vergessen! – In Gedenken an André K.” Plakate, die an den tödlichen Angriff auf André K. am 27. Mai 2011 am Oschatzer Südbahnhof erinnern sollen, im Stadtgebiet von Oschatz an. Die Gruppe erklärt dazu:

 

“Die Plakate sollen der Sichtbarmachung dienen, um den Mord an André K. nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Durchaus erkennen wir die 2013 enthüllte Tafel in Gedenken an André K. am Ort des Mordes als einen wichtigen Teil des Erinnerungsprozesses an. Sie zeigt eine Form der Auseinandersetzung mit dem Mord innerhalb der Oschatzer Stadtgesellschaft auf. Doch darf es nicht beim bloßen Anbringen der Tafel sowie Gedenkzeremonien, die anfänglich noch stattfanden, bleiben.

 

Eine Auseinandersetzung mit rechter Gewalt sowie dahinterstehenden Einstellungen muss fortwährend erfolgen und bedarf einer kritischen Analyse von Gesellschaft. Rechte Gewalt entsteht demzufolge nicht aus dem Nichts, wird zwar durch Einzelpersonen oder – wie beim Mord an André K. – von Gruppen begangen, die dahinter stehenden Einstellungen sind jedoch gesamtgesellschaftlich vorzufinden. Die dauerhafte Auseinandersetzung mit den Morden ist daher notwendig, sind diese doch lediglich ein Spiegelbild gesellschaftlicher Zustände, jener also, die solche Morde erst möglich machen.”

 

Hintergründe zum Prozess gegen die Täter:

Im Folgenden ist der Plakattext dokumentiert:

 

André K. – 27. Mai 2011 (Sozialdarwinismus)

André K. wird nur 50 Jahre alt. In der Nacht zum 27. Mai 2011 wird er am Oschatzer Südbahnhof von fünf Männern brutal zusammengeschlagen. Fünf Tage später stirbt André K. an seinen schweren Verletzungen.

 

Unter den Tätern befindet sich der 27-jährige Ronny Schleider, der dem Umfeld der NPD-Jugendorganisation “Junge Nationaldemokraten” zuzurechnen ist. Im Laufe des 26. Mai 2011 treffen die drei Jugendlichen Tommy J., David O. und Chris Kayser auf Sebastian Bach und den Neonazi Ronny Schleider. Sie trinken zusammen Bier. Schleider meint, ein Nachbar habe Schulden bei ihm. Sie suchen ihn auf, jedoch ist er nicht da. Daraufhin erklärt Ronny Schleider, auch André K. habe Schulden und solle eine Abreibung erhalten. Die Männer machen sich auf den Weg zum Oschatz-Park, wo er sich des Öfteren aufhält.

 

Als sie ihn dort nicht auffinden, ziehen sie weiter zum Südbahnhof. Dort treffen sie André K. – schlafend in einem Wartehäuschen – an. Sie beginnen auf den Wehrlosen einzutreten und einzuschlagen. Sebastian Bach und Ronny Schleider zielen dabei mehrfach auf den Kopf. Bach zückt sogar ein Samuraischwert, mit dem er André K. zu schlagen versucht. Er verfehlt ihn, wobei die Schwertspitze abbricht. Mit Tommy J. geht Bach später zurück, um diese zu suchen. Dabei sollen die beiden den Schwerverletzten auf die Bahngleise gelegt haben.

 

André K. wird am nächsten Morgen in der Wartehalle entdeckt. Er stirbt am 1. Juni an einer Lungenentzündung, die er sich infolge der Verletzungen zugezogen hat.

 

Vor dem Landgericht gibt Sebastian Bach zu, dass es nicht wirklich um das Eintreiben von Schulden ging: “Es gab sicher keinen Anlass, gegen Herrn K. vorzugehen. Wir haben uns im Suff einen sinnlosen Grund eingeredet.”

 

Selbst das Gericht sieht im Angriff auf André K. eine “Gewaltorgie”. Dennoch lehnt der Vorsitzende Richter Norbert Göbel den Beweisantrag der Nebenklagevertretung, der darauf abzielt, mögliche rechte bzw. sozialdarwinistische Tatmotive zu beleuchten sowie zu prüfen, ab.

 

Im Prozess äußert sich Göbel bei der Vernehmung eines wichtigen Zeugen selbst herabwürdigend gegenüber Erwerbslosen: “Sie müssen sich doch erinnern können, Sie haben als Arbeitsloser doch sonst nichts zu tun.”

 

Im Januar 2013 werden die fünf Täter wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt. Die Haupttäter Ronny Schleider und Sebastian Bach erhalten 13 bzw. zehn Jahre Haft. Die drei jugendlichen Täter werden zu Jugendstrafen von bis zu drei Jahren verurteilt. André K. wird nicht offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.

 


Text zugesandt von: anonym

Anmerkung: Wir haben uns erlaubt, einzelne Namen auszuschreiben.