Asylbewerber aus Netto-Markt gezerrt und an Baum gefesselt

Erstveröffentlicht: 
01.06.2016

Ein Vorfall in einem Netto-Markt in Arnsdorf sorgt derzeit für Wirbel. Ein Video (facebook.com/permalink.php?story_fbid=1198377790181661&id=911598655526244) des Vorfalls wird in sozialen Medien hundertfach geteilt.

 

Eine selbsternannte Bürgerwehr hat dort einen Asylbewerber, der an einer psychischen Erkrankung leidet, zusammengeschlagen, aus dem Markt gezerrt und mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Das Video des Vorfalles geht derzeit durch die sozialen Medien. Das Vorgehen der Männer wird in den unzähligen Kommentaren bei Facebook gefeiert.

Der Vorfall ereignete sich bereits am 21. Mai. Wie eine Netto-Sprecherin auf unsere Anfrage mitteilte, werde das Vorgehen in keiner Weise gebilligt.

"Nach erster Rücksprache mit unseren Filialmitarbeitern wurden die Personen mit den schwarzen T-Shirts und den Aufdruck „Bürgerwehr“ von keinem Netto-Mitarbeiter gerufen. Aktuell werden die Ereignisse noch vor Ort geprüft."

Die Netto-Sprecherin teilte weiter mit: "Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir unsere Kunden unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht oder Alter gleichbehandeln. Sollte es zu einem Diebstahl kommen, rufen unsere Kollegen grundsätzlich die Polizei. Das gezeigte Vorgehen im Video widerspricht unseren Unternehmensvorgaben und wird von Netto Marken-Discount in keiner Weise gebilligt."

Polizisten waren damals anschließend vor Ort, haben wegen der Gefahrenabwehr aber nur Platzverweise erteilt und nicht die Personalien der Männer aufgenommen. Das teilte ein Polizeisprecher auf unsere Anfrage mit. Man könne der Streife aber keinen Vorwurf machen, es waren nur zwei Beamte, die aufgrund der Gefahrenabwehr nur Platzverweise aussprachen, hieß es. Die Polizei sucht nun Zeugen. Kriminalpolizei und Staatsschutz ermitteln, um die Männer zu identifizieren. Auch gegen den 21-jährigen Asylbewerber wird ermittelt, er war mehrfach im Netto-Markt aufgetaucht, da es Probleme mit einer Telefonkarte gab. Er hatte Mitarbeitern mit einer Flasche gedroht.

Die vollständige Pressemitteilung der Görlitzer Polizei zu dem Vorfall:


Im Internet und sozialen Netzwerken kursiert derzeit ein Video, welches zeigt, wie mehrere Männer einen Asylsuchenden aus einem Supermarkt bringen und es dabei zu einer tätlichen Auseinandersetzung kommt. Das Video ist insbesondere in asylkritischen Foren zu finden und wurde von einer unbekannten Sprecherin mit dem Begriff „Bürgerwehr“ in Verbindung gebracht.

Der Polizei ist der Sachverhalt bekannt. Er hat sich am Abend des 21. Mai 2016 in Arnsdorf in und vor einem Supermarkt an der Stolpener Straße zugetragen. Die Kriminalpolizei ermittelt hierzu in enger Abstimmung mit dem Dezernat Staatsschutz.

Zu Grunde liegt ein Sachverhalt, der einen 21-jährigen Patienten des Arnsdorfer Fachkrankenhauses betrifft. Der irakische Staatsbürger, der auch in dem angesprochenen Video zu erkennen ist, hatte in dem Geschäft am 20. Mai 2016 eine Telefonkarte gekauft. Bei deren Aktivierung ergaben sich jedoch offenbar Komplikationen.

Daher war der Mann am Folgetag, dem 21. Mai 2016, am Nachmittag zweimal in dem Supermarkt erschienen, um das Problem zu klären. Aufgrund sprachlicher Defizite konnten sich die Mitarbeiter und der Betroffene jedoch nicht miteinander verständigen. In beiden Fällen wurde die Polizei hinzu gerufen. Eine Streife brachte den Mann zurück zum Fachkrankenhaus.

Als der Betroffene nun am Abend gegen 18:00 Uhr ein drittes Mal in dem Geschäft erschien, eskalierte die Situation. Aus Zeugenvernehmungen des Verkaufspersonals ist ersichtlich, dass die Filialleiterin den Sachverhalt geprüft und dabei festgestellt hatte, dass das Guthaben der Telefonkarte bereits aufgebraucht worden war. Der Mann soll in Rage geraten sein, eine Flasche Wein aus einem Regal genommen und damit die Filialleiterin sowie eine Mitarbeiterin bedroht haben. Verletzt wurde dabei niemand, ebenso kam es zu keiner Diebstahlshandlung oder einer Sachbeschädigung.

Zu diesem Teil des Sachverhaltes hat die Kriminalpolizei Ermittlungen zum Verdacht der Bedrohung gemäß § 241 StGB aufgenommen.

Wie nun auch auf dem Video ersichtlich ist, erschienen mindestens drei derzeit noch unbekannte Männer, welche den 21 Jährigen ergriffen und ihn aus dem Geschäft brachten. Dabei kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung.

Die Polizei wurde um 18:52 Uhr per Notruf zu dem Sachverhalt informiert. Bei Eintreffen einer Streife fanden die Beamten den 21 Jährigen mit Kabelbindern gefesselt an einem Baum auf dem Parkplatz des Supermarktes vor. Die dafür verantwortlichen Männer berichteten, dass sie den Mann zur Abwehr einer angeblichen Gefährdungssituation festgehalten und an einer Flucht gehindert haben wollen. Die Beamten forderten die Personengruppe auf, den Platz zu verlassen. Sanitäter versorgten den 21-Jährigen und brachten ihn zum Arnsdorfer Fachkrankenhaus zurück.

Zu diesem Teil des Sachverhaltes hat die Kriminalpolizei Ermittlungen zum Verdacht der Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB aufgenommen. Zu prüfen ist, ob die Personen das Festhalte- und Festnahmerecht durch Jedermann gemäß § 127 StPO überschritten haben. Das Dezernat Staatsschutz ist in die Ermittlungen eingebunden.

Das im Internet kursierende Video wird im weiteren Verlauf in die Ermittlungen der Kriminalpolizei einfließen.

Die Ermittler suchen Zeugen, die den Sachverhalt gesehen haben oder Angaben zu den Männern geben können, die den Betroffenen aus dem Supermarkt gebracht und an den Baum gebunden haben. Sachdienliche Hinweise nimmt das Führungs- und Lagezentrum der Polizeidirektion Görlitz unter der Rufnummer 03581 468-100 sowie jede andere Polizeidienststelle entgegen.