Bei einer Demo kommt es zu Vandalismus und schweren Auseinandersetzungen. Zuvor hatten mehrere hundert Personen in der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage gefeiert.
Von Hanna Jordi
«Unvermittelt und mit hoher Gewaltbereitschaft» seien Mitarbeiter der Polizei und der Feuerwehr angegriffen worden, schreibt die Kantonspolizei Bern in einem Communiqué vom Sonntagnachmittag. Demonstrierende hätten Einsatzkräfte mit Steinen beworfen. Dabei durchschlug ein Stein mit einem Durchmesser von 13 Zentimetern die Beifahrerscheibe und traf einen Mitfahrer.
Im Anschluss an ein unbewilligtes Fest auf dem Areal der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage am Warmbächliweg kam es am Samstag in Bern zu Ausschreitungen. Nach dem Fest hatte sich ein Demozug in Richtung Innenstadt formiert. Während die Anarchistische Gruppe Bern in einem Facebook-Eintrag von einem «ausdrucksstarken» Umzug spricht, ist bei der Polizei von «gewaltbereiten Demonstration» die Rede. Dabei kam es zu Sachbeschädigungen in noch unbekannter Höhe sowie zu Angriffen auf Polizeimitarbeiter.
Zwischennutzer äussern sich über Eindringlinge
Der Verein Warmbächlibrache, der die Zwischennutzung des leerstehenden Areals organisiert, äusserte sich am Sonntag zu den Ereignissen. Er distanziert sich von den Vorkommnissen und spricht von einer «illegalen Party mit mehr als 500 Teilnehmenden». Sie seien nicht informiert worden, und Versuche, mit den Organisatoren zu sprechen, seien erfolglos geblieben. Material sei entwendet und «eine Müllhalde hinterlassen» worden. Die Tür zum Lagerraum wurde aufgebrochen, um darin eine Festbühne zu installieren. Dabei wurde auch der Bus beschädigt, der dereinst auf der Brache als Bar dienen soll. Der Verein beginnt heute mit den Aufräumarbeiten.
Auch in der Stadt sind die Spuren, die der Demozug hinterliess, noch gut sichtbar: an der Laupenstrasse sind Geschäftsfenster eingeschlagen, zahlreiche Fassaden sind versprayt. In einem Video, das ein anwesender Reporter des Radios «Neo1» aufgenommen hat, sind Musikwagen zu sehen, die den Demozug begleiten. Die Szenen erinnern an den Anlass «Tanz dich frei», der zwei Mal friedlich stattfand und im Jahr 2013 schliesslich in schweren Ausschreitungen mündete. Der Reporter schätzt die Teilnehmer auf 800 und spricht von «wenigen Vermummten»:
Polizei greift vorerst nicht ein
Die Polizei hatte bereits um 22 Uhr Lärmklagen wegen einer Party am Warmbächliweg entgegengenommen. Unbekannte hatten sich Zugang zur ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage verschafft. Die Eingänge wurden gemäss Mitteilung der Polizei von vermummten, mit Funkgeräten ausgestatteten Personen bewacht. «Mehrere hundert» Personen hätten sich auf dem Gelände befunden. Zu diesem Zeitpunkt schritt die Polizei nicht ein, da sie eine erhöhte Gewaltbereitschaft befürchtete. Stattdessen foderten die Polizisten Verstärkung an.
Bald formierte sich ein Demozug, der sich über den Loryplatz in Richtung Stadt aufmachte. Dabei seien bei der Polizei mehrere Anrufe «eingeschüchterter» Personen eingegangen, darunter auch aus einem Altersheim und aus dem Frauenspital, welches sich an der Demoroute befindet. Mit mehreren Absperrungen versuchte die Polizei, den Zug zu stoppen, was ihr am Bühlplatz schliesslich gelang. Dies unter Einbezug eines Wasserwerfers und mithilfe von Tränengas und Gummischrot.
Durch das Einschreiten der Polizei wurde gemäss Polizeisprecherin Müller verhindert, dass die Demonstranten in die Innenstadt vordringen konnten. Gemäss einem anonymen Eintrag auf der linksautonomen Plattform indymedia.org sei der Demozug auf der Höhe der Belpstrasse gestoppt worden. Danach hätten sich die sogenannten «Feiernden» zur Reitschule zurückgezogen.
Polizeiposten-Merkblatt verteilt
Der Demozug unter dem «Reclaim the Streets» folgte auf eine sogenannte Sauvage, ein unbewilligtes Fest, zu dem per Mund-zu-Mund-Propaganda eingeladen wird. «Jetzt gehts los: Die interplanetar-kosmosolidarische Sauvage beginnt!!!»: Mithilfe solcher Ketten-Nachrichten sowie via Facebook wurden am Samstagabend junge Bernerinnen und Berner zum Veranstaltungsort gelotst. Im Aufruf war auch der Zweck des Fests ersichtlich: Alle Einnahmen sollten Flüchtlingen, die in selbstverwalteten Unterkünften in Griechenland leben, zugutekommen. Laut dem anonymen Verfasser auf Indymedia.org sollen am Fest über 1000 Personen teilgenommen haben.
Anwesende beschreiben die Stimmung als «laut und ausgelassen». Sie fand bis auf einen Raum in Innern des Gebäudes mehrheitlich im Freien statt. Es gab ein Lagerfeuer, einen Musikwagen, DJs und verschiedene Bars. Die anwesenden Besucherinnen und Besucher seien vorwiegend jung, zwischen 15 und 30 Jahren, gewesen. Bier gab es schon für drei Franken, manche Verkäufer hätten sich vermummt. Bereits beim Einlass sei den Eintretenden ein Merkblatt verteilt worden, auf dem geschrieben stand, wie man sich im Falle einer Festnahme zu verhalten habe.
(DerBund.ch/Newsnet)