Zerstört geglaubte NSU-Akte gibt es als Kopie

Erstveröffentlicht: 
17.05.2016

Eine NSU-Akte, die nach dem Hochwasser in Chemnitz 2010 als verschwunden galt, gibt es als Kopie. Das haben MDR-Recherchen ergeben. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann, bestätigte MDR AKTUELL, dass sie sich in den Unterlagen des sächsischen Untersuchungsausschusses befindet.


Vernehmung von V-Mann Marschner in Band drei


Der sächsische Landtagsabgeordnete hat sich die vorliegenden Akten nach eigenen Worten angesehen und festgestellt, dass dem Ausschuss in dem Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen 700 Js 44805/99 insgesamt 15 Bände Ermittlungsakten vorliegen. Lippmann zufolge befindet sich in Band drei eine Zeugenvernehmung von Ralf Marschner, die am 13. Oktober 1999 durchgeführt wurde. Genau diese Zeugenvernehmung des ehemaligen V-Mannes galt bislang als verschollen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Chemnitz wurde die Akte vom Hochwasser 2010 vernichtet.

Bekannt geworden war der Vorgang, nachdem der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags die Akten aus Sachsen angefordert hatte. Im Unternehmen des ehemaligen V-Mannes Marschner sollen die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gearbeitet haben. Der Neonazi war unter dem Tarnnamen "Primus" jahrelang als Informant für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. 

 

Innenministerium bestätigt Existenz


Das sächsische Innenministerium bestätigte dem MDR die Existenz der Aktenkopie. Ein Sprecher sagte, sie sei nicht nur vorhanden, sondern sogar bereits am 15. April dem Untersuchungsausschuss des Bundestags vorgelegt worden. Polizei und Justiz hätten im Umfang der Beweisbeschlüsse in ihrem Zuständigkeitsbereich entsprechend recherchiert und die Untersuchungsausschüsse über ihre jeweiligen Ergebnisse korrekt informiert. 

 

Lippmann kritisiert Gebaren


Grünen-Politiker Lippmann kritisierte in diesem Zusammenhang, dass in Sachsen offensichtlich die linke Hand nicht weiß, was die rechte tue. Es sei kein Umgang mit dem Untersuchungsausschuss des Bundestags, wenn man in die Welt posaune, die Akten seien unwiderruflich verschollen und sich diese dann doch wiederfinden. Überdies werfe das ganze Gebaren die Frage auf, von welchen weiteren nicht auffindbaren Akten in irgendwelchen Polizeibehörden noch Kopieren herumstünden.