Eine in letzter Zeit häufig gehörte Platitüde ist der Satz, die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auf. Jedes Jahr wird ein Armutsbericht herausgegeben, jedes Jahr wird sich darüber aufgeregt wie so etwas in einem reichen Industrieland möglich sein soll und jedes Jahr werden diese Berichte genau so schnell wieder vergessen. Zumeist wird dann noch in irgendeinem neoliberalen Blättchen die Chancenungleichheit als das eigentlich zu beseitigende Übel angeprangert. Das ist natürlich Schwachsinn, was sich auch an der gegenwärtigen Farce um die Zukunft des Viktoriaviertels verdeutlichen lässt. Hier stehen die Interessen der Bewohner*innen gegen die Interessen eines transnationalen Immobilienkonzerns und es zeigt sich auf einmal recht deutlich, wie die Möglichkeiten der Mitbestimmung in unserer Gesellschaft verteilt sind. Das Problem ist dabei nicht die Ungleichheit der Chancen, das Problem ist die ökonomische Ungleichheit der Menschen. Das Wenige viel haben und Viele wenig, ist und bleibt Scheiße, selbst wenn die Chance dafür, zu den Wenigen zu gehören, gleich verteilt wäre. Aber zu glauben, dass dies jemals so sein könnte, ist von vorneherein lächerlich, denn Reichtum bedeutet Macht. Das zeigt sich gerade mal wieder in Bonn. Die SIGNA Holding will das Viktoriaviertel abreißen und dort ein Einkaufszentrum bauen. Ihr gehört aber bisher nur ein Teil der Gebäude und sie möchte die restlichen Gebäude dazu erwerben, um alles im Block abzureißen. Dagegen gab es ein Bürgerbegehren und diesem wurde im Stadtrat statt gegeben. Es sieht also so aus als könnte die SIGNA dort kein Einkaufszentrum bauen. Was tut sie also? Da ihr schon ein erheblicher Teil der Immobilien im Viktoriaviertel gehören, lässt sie die bestehenden Mietverträge einfach auslaufen, schmeißt die Mieter*innen raus und lässt die Häuser leerstehen. Scheiß doch eins auf Demokratie.
Aber was will mensch machen, es ist ja schließlich ihr Eigentum. Mit
ihrem Eigentum kann sie machen was sie will, und dieser Anspruch wird im
Zweifelsfall durch die Polizei geschützt. Und an die Gesetze der
privaten Eigentumsordnung müssen wir uns ja alle halten, denn sonst
würde ja Chaos herrschen. Dass die Leerstandspolitik der SIGNA bei der gegenwärtigen Wohnungslage in Bonn nichts anderes ist als Erpressung, soll dabei einfach schweigend hingenommen werden.
Oh wie schön ist Panama
Nebenbei bemerkt: René Benko der Gründer der SIGNA Holding ist wegen Korruption vorbestraft. Er hatte damals versucht den ehemaligen Premierminister von Kroatien zu schmieren, damit dieser Einfluss auf den Verlauf eines in Italien stattfindenden Verfahrens gegen ihn nehmen sollte. Die SIGNA muss sich aber auch sonst nicht an die Regeln halten, die für Normalsterbliche gelten. So vermeidet die SIGNA Steuerzahlungen, indem sie ihre Gewinne durch Luxemburg schleust. Welchen Vorteil die Stadtverwaltung sich davon erhoffte, dieser Firma die Möglichkeit zu geben ein weiteres Einkaufszentrum in der Stadt zu errichten, bleibt schleierhaft. Eine Erhöhung des kommunalen Steueraufkommens kann jedenfalls nicht der Grund gewesen sein, denn Steuern zahlt die SIGNA, wenn überhaupt, in Luxemburg. Erfahrungsgemäß lässt sich die Bonner Stadtverwaltung von Immobilieninvestoren gerne über den Tisch ziehen, so geschehen zum Beispiel am WCCB. Kann mensch also davon ausgehen, dass demnächst noch weiter bei Schwimmbädern und Kitas gespart werden muss, weil die Stadt Bonn lieber Menschen, die eh schon absurd viel besitzen, zusätzliche Geld- und Sachwerte in den Arsch bläst?
Wir sollten uns also nicht vertun: Wenn Wohnviertel und Schwimmbäder Einkaufszentren weichen müssen, dann ist das Klassenkampf von oben und ein Angriff auf das schöne Leben. Denn was in dieser Stadt fehlt, sind bezahlbare Wohnungen und Orte, an denen sich Menschen ohne Schranken begegnen dürfen. Ein Einkaufszentrum ist ein Ort an dem mensch nichts anderes als Konsument*in sein darf. Hier kann sie sich nur von der Werbung ihres selbstständigen Denkens berauben lassen, um scheiße zu kaufen, die sie nicht braucht, von Geld, das sie nicht hat. Der soziale Kampf, der hier statt findet, soll dabei durch das eine oder andere Feigenblatt verschleiert werden. So behauptete die SIGNA, sie habe vor neue Kitas zu errichten, was eine Lüge war, oder der OB der Stadt Bonn stellte in den Raum, dass vielleicht Geflüchtete übergangsweise in den leerstehenden Wohnungen wohnen könnten. Das von uns besetzte Objekt steht übrigens seit drei Jahren leer und kam in den Plänen zur Unterbringung von Geflüchteten nicht vor. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Eine sehr vertrackte Situation also. Transnationale Konzerne drücken
eine*n an die Wand und kommunale Institutionen scheinen ihnen dabei auch
noch in die Hände zu spielen. Dabei bietet sich eine ganz einfache
Möglichkeit tatsächliche Chancengleichheit zu schaffen und nebenbei was
gegen die praktischen Konsequenzen von Armut zu tun. Denn mensch kann
reichen Leuten ihr Zeug auch einfach wegnehmen. Dies wollen wir hier
exemplarisch an den Immobilien der SIGNA
vorführen. Wenn sie ihr Einkaufszentrum nicht durchsetzen kann, lässt
sie einfach die Wohnungen leerstehen, um die Bevölkerung dieser Stadt zu
erpressen. Da wir das beschissene kleine Spiel, das sich private
Eigentumsordnung nennt, allerdings nicht mitspielen, sind wir dort
einfach eingezogen. Wenn reiche Leute eine*n mit ihrem Reichtum
erpressen wollen, gibt es nur eine richtige Antwort: wilde Enteignungen.
Wenn wir ein würdiges Leben für alle schaffen wollen, müssen wir die
absurden Eigentumskonzentrationen unserer Zeit zerschlagen und in
basisdemokratisch verwaltete Commons umwandeln. Nur so können wir
wirklich demokratische Verhältnisse schaffen, in denen nicht mehr Wenige
den Rest mit ihrem Eigentum erpressen können.
Lasst uns heute damit anfangen.