Die 1. Mai-Kundgebung der NPD in Schwerin war auch Startschuss für den Landtagswahlkampf im September – NPD-Fraktionschef Pastörs legt die Messlatte auf „6 Prozent plus x“.
Von Horst Freires
Mit einer Mai-Demonstration in Schwerin startete die NPD ihren Wahlkampfbeginn für die am 4. September anstehende Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Rund 420 Teilnehmer wurden bei dem Aufmarsch gezählt. Sie kamen unterstützend auch aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg („Freie Kräfte Prignitz“) und Hamburg. Die Situation ist im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Wahlen um den Einzug ins Schweriner Schloss eine andere. Diesmal hat es die NPD auch mit einer starken, sich rechts positionierenden Kraft in Gestalt der AfD zu tun – und damit einen neuen Konkurrenten. Bei der jüngsten, vom Institut Infratest-dimap vorgenommenen Umfrage liegt die NPD bei 4 Prozent, während die AfD mit 18 Prozent gelistet wurde.
Der Fraktionschef der NPD, Udo Pastörs, der mehr als alle anderen in Schwerin namentlich aufgeführten Redner beklatscht worden ist, hat einen bedingungslosen Wahlkampf angekündigt. Er rechnet fest mit einem abermaligen Wiedereinzug ins Landesparlament und legt dabei die eigene Messlatte bezogen auf das Wahlziel auf „6 Prozent plus x“. Auf Mecklenburg-Vorpommern kommt wohl eine bislang ungekannte Materialschlacht zu und eine öffentliche NPD-Offensive sondergleichen, wozu es nun in Schwerin einen ersten Vorgeschmack gab. Momentan deutet alles darauf hin, dass in der Parteiverbotsfrage bis dahin vom Bundesverfassungsgericht noch kein Urteil vorliegen wird.
Anstandsapplaus für den Bundesvorsitzenden
Erstaunlich war in Schwerin eigentlich nur, wie wenig die AfD von den NPD-Funktionären angegangen wurde. Ganz anders dagegen die Medien, die sich von Pastörs Schimpf- und Beleidigungstiraden gefallen lassen mussten, obwohl der 63-Jährige, der selbst die Parole „Lügenpresse“ anstimmte, an der Spitze des Demonstrationszuges dankbar für jedes Foto der Journalisten war. Der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz bekam im Vergleich zu Pastörs in seiner kurzen Rede nur Anstandsapplaus. Als Gast hatte die rechtsextreme Partei Stefan Jacobsson aus Schweden eingeladen. Dieser fungiert als Generalsekretär der europäisch länderübergreifend agierenden „Alliance for Peace and Freedom“ (APF), in der auch die NPD federführend mitwirkt. Die APF speist sich in ihrer Arbeit maßgeblich aus EU-Mitteln. (bnr.de berichtete) Der Beitrag des Schweden in englischer Sprache wurde von Pastörs höchstpersönlich übersetzt. Je länger die Rede dauerte, desto verkürzter, zusammenfassender und weg vom Original übersetzte der Fraktionschef. Auch er selbst hielt eine lange Ansprache, in der er unter anderem Lenin und den erzkonservativen Staatsrechtler Carlo Schmid zitierte, bei der viele es aber auch vorzogen, sich lieber mit Getränken zu versorgen, allen voran Pastörs Ehefrau Marianne.
Als der Demonstrationszug sich dann formierte, tauchten einige verkleidete Neonazis an der Spitze auf, darunter als Figuren eine Frau mit Vollverschleierung, das Feindbild US-Politiker und Kanzlerin Angela Merkel. Unter anderem steckte Pastörs der „Burka“-Frau Geldscheine zu. Das Fronttransparent wurde dann von Jacobsson, Franz, Pastörs und dem NPD-Landesvorsitzenden Stefan Köster getragen, flankiert von den „Bewachern“ Silvio Will, ausgestattet mit einem Schirm gegen möglicherweise drohende Wurfgeschosse, sowie Michael Grewe. Der wurde tags zuvor noch bei einer von Neonazi Sven Krüger im Dorf Jamel bei Grevesmühlen ausgerichteten völkischen Feier gesehen.
„Nationale Sozialisten Rostock“ mit zwei Großtransparenten
Im Demonstrationszug war es wie üblich dann auch wieder einmal eine Art Modenschau, wer mit welcher Szenebekleidung herumläuft oder sich welche Tätowierung offen zu zeigen traut – von der schwarzen Sonne und der SS-Losung „Meine Ehre heißt Treue“ bis zur Odalrune; vom textilen Bekenntnis zu Rechtsrock-Bands wie „Skalinger“ oder den nicht mehr aktiven „Legion Ost“ bis hin zu den textlich in ihren Stücken bisweilen rechtslastigen „Böhse Onkelz“ und „Krawallbrüder“. Mehrere Aktivisten traten nahezu uniformiert mit einheitlichem T-Shirt-Aufdruck „Widerstand MV“ auf. Unter diesem Namen existiert auch eine Facebook-Gruppe. Auf deren Seite wird wohlwollend über die Mai-Veranstaltung berichtet und die Teilnehmerzahl auf euphorische 600 hochgedichtet. Gleich mit zwei Großtransparenten war die Gruppe „Nationale Sozialisten Rostock“ auszumachen.
Wie bei zuletzt so vielen original NPD- oder getarnten NPD-Veranstaltungen war Denny Reitzenstein von der im niedersächsischen Buchholz ansässigen „Aktionsgruppe Nordheide“ mit seinen Filmutensilien vor Ort. Ferner dabei: Manfred Börm aus dem Raum Lüneburg, langjähriger Leiter des NPD-Bundesordnungsdienst. Die NPD-Spitze aus Schleswig-Holstein war durch Jörn Lemke vertreten, aus Hamburg war der reisefreudige JN-Kader Lennart Schwarzbach angereist, dazu wie bei so vielen neonazistischen Demonstrationen die Hamburg-Fahne schwingend Marian Herzfeld.
Für Empörung hatte die NPD bereits im Vorwege ihres Aufzugs gesorgt, wollte sie sich doch geradezu provozierend ausgerechnet auf dem Grunthal-Platz treffen, benannt nach der Lehrerin Marianne Grunthal, die in den letzten Kriegstagen im Mai 1945 von SS-Männern an einem Laternenmast erhängt wurde. Die Schweriner Ordnungsbehörde wies den Nationaldemokraten dann aber einen anderen Platz als Versammlungsstätte zu.