[FR] Protest gegen den Kaiser

Aus der Wilhelmstraße wurde die Hans-Arno-Joachim-Straße.
Erstveröffentlicht: 
09.04.2016

Überklebtes Straßenschild erinnert an jüdischen Publizisten.

 

INNENSTADT. Ein neuer Name für die Wilhelmstraße? Auf dem Schild an der Ecke zur Adler- und Belfortstraße sieht es so aus: Dort gibt’s statt der Wilhelmstraße seit einiger Zeit die Hans-Arno-Joachim-Straße – allerdings nicht offiziell. Das alte Schild wurde während der Aktionswochen gegen Antisemitismus symbolisch überklebt, schreibt die "Anarchistische Gruppe Freiburg" auf der linken Internetplattform "linksunten.indymedia.org". Die Stadtverwaltung belässt das Schild zunächst überklebt, sagt die städtische Pressesprecherin Martina Schickle.

Die Wilhelmstraße gehört zu den Straßen, die wegen ihrer Namen immer wieder in der Kritik stehen: Unter anderem wurde bei einem kritischen Rundgang zur Kolonialgeschichte darauf verwiesen, dass Kaiser Wilhelm I. etliche Kolonien erworben hatte. Der Text auf "linksunten.indymedia.org" betont auch, dass Wilhelm I. "überzeugter Militarist" gewesen sei und den im Kaiserreich aufkommenden Antisemitismus nicht bekämpft habe. Dort gibt’s zudem Infos zu dem 1902 in Freiburg geborenen jüdischen Publizisten und Hörspielautor Hans Arno Joachim, der 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde.

Am Friedrichring erinnert ein Stolperstein an ihn, er besuchte das Berthold-Gymnasium und studierte bis 1927 an der Freiburger Uni deutsche Philologie. Er war mit dem Philosophen Ernst Bloch und dem Lyriker Peter Huchel befreundet. Als er Dramaturg in Darmstadt war und später in Berlin lebte, entstanden seine Texte und Hörspiele. 1933 flüchtete er mit seiner Frau Gerta Aufrichtig nach Paris. Dort lebten beide von deren kleinem Gehalt als Trickfilmzeichnerin. Am 16. Februar 1944 wurde Hans Arno Joachim von der Gestapo verhaftet, am 27. März nach Auschwitz gebracht und dort ermordet. Die städtische Namensprüfungskommission prüfe derzeit alle 1300 Straßennamen nach ihren jeweiligen Bezügen, sagt Martina Schickle. Ende April werde der Abschlussbericht an den Gemeinderat weitergeleitet.