Heute ist er auf den Tag genau 100 Tag im Amt: Der neue Verfassungsschutzpräsident des Freistaates Thüringen. Der langjährige Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hat sich da keine leichte Aufgabe vorgenommen. Nicht nur, dass sich die Thüringer Behörde noch immer nicht von den NSU-Ermittlungspannen erholt hat. Sie soll nach dem Willen der wichtigsten Erfurter Regierungspartei sogar ganz abgeschafft werden.
Soll Stephan Kramer den in Misskredit geratenen Inlandsgeheimdienst nun 
reformieren, oder gleich ganz abwickeln? Wenn man die Fraktionschefin 
der LINKEN im Thüringer Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, hört, dann 
möchte man meinen, der Promi Kramer soll beim Verfassungsschutz die 
Lichter ausmachen: "Grundsätzlich sind wir natürlich für die Abschaffung
 des Verfassungsschutzes. Weil weder polizeiliche Aufgaben noch 
Bildungsaufgaben durch den Verfassungsschutz zu erfüllen sind. Und die 
Demokratie geschützt wird durch die Demokraten und nicht durch den 
Verfassungsschutz." 
Inlandsgeheimdienst abschaffen?
Nun, Herr Kramer, wie ist das, wenn man für einen Job eingekauft wird, 
der eigentlich nicht mehr erwünscht ist? Das politische Ziel der 
Abschaffung des Verfassungsschutzes wird bei der LINKEN ja schon lange 
verfolgt. "Das JA zum Reformprojekt, - zu dem ja die gesamte Regierung 
auch JA gesagt hat, auch die LINKE mit ihren Vorbehalten -, ist ein 
Bekenntnis aus meiner Sicht zum Verfassungsschutz. Solange wir keine 
bessere Alternative haben."
Bei dieser Haltung weiß Kramer zumindest die Thüringer SPD hinter sich. 
Denn für den Erfurter Innenminister, den Sozialdemokrat Holger 
Poppenhäger, steht fest: "…dass die Sicherheitsbehörden mit allen ihren 
Teilen, - Polizei, Justiz, aber auch der Verfassungsschutz -, dass die 
möglichst stark aufgestellt sind. Und die Herausforderungen im Moment 
sind ja nicht weniger geworden. Sondern die Ansprüche - auch die, der 
Bevölkerung - nach mehr Schutz, nach mehr Sicherheit sind da. Und dem 
versuchen wir gerecht zu werden. Und da ist der Verfassungsschutz ein 
wichtiger Baustein." 
Verfassungsschutz vs. Polizeiarbeit
Ähnlich argumentiert Dorothea Marx, die innenpolitische Sprecherin der 
SPD-Landtagsfraktion. Sie erinnert an das Trennungsgebot, eine 
Konsequenz aus der Willkür der Nazi-Zeit, als die geheime Staatspolizei 
Inlandsgeheimdienst und Ermittlungsbehörde zugleich war. "Als 
Verfassungspatriotin sage ich: Ich möchte, dass die Verfassung geschützt
 wird. Und das ist keine Polizeiaufgabe. Deswegen: Wenn ich den 
Verfassungsschutz abschaffe, dann wandert diese Aufgabe zur Polizei. Und
 dann habe ich diese Vermischung, dass eine Polizei, die eigentlich auf 
Straftatenermittlung beschränkt ist, plötzlich solche Vorfeldaufgaben 
bekommt. Und dann doch eher noch eine Gefahr hat, eine allgemeine 
Schnüffelbehörde zu werden, als der Verfassungsschutz, den wir ja auch 
strenger kontrollieren als bisher."
Ganz ähnlich sieht es auch der neue Verfassungsschutz-Präsident: "Ich 
bin der festen Überzeugung, dass die Aufgaben des Verfassungsschutzes 
nicht so einfach an irgendwelche anderen Strukturen delegierbar sind.  
Manche bestimmt, aber eben nicht alle. Und deswegen glaube ich, dass wir
 nicht nur eine Daseinsberechtigung haben, sondern dass, wenn wir so 
ausgestattet sind, dass wir unsere Arbeit ordentlich machen können, wir 
auch einen Mehrwert bringen können für die Sicherheit."
Das wäre etwa in dem Fall, wenn die Behörde ihrer Schwerpunktaufgabe, 
als Frühwarnsystem die rechte Szene im Freistaat im Auge zu behalten, 
überzeugen nachkommt: "Ich freue mich darauf, die Chance zu haben, auch 
die Partei DIE LINKE,  - vielleicht nicht alle und jeden -, aber davon 
zu überzeugen, dass dieser Verfassungsschutz eine Zukunft hat - und zwar
 für den Schutz unserer Verfassung."
