Die Hausbesetzung in der ehemaligen Führerscheinstelle in Leipzig ist beendet. Am Montagmittag räumten die Mitglieder der Initiative "Social Center for All" (#sc4a) nach einem Gespräch mit OBM Jung die Räume in der Platostraße neben dem alten Technischen Rathaus. Jetzt sollen gemeinsam mit der Stadt neue Räume gesucht werden.
Leipzig. Die Hausbesetzung in der ehemaligen Führerscheinstelle in Leipzig ist beendet. Am Montagmittag räumten die Mitglieder der Initiative „Social Center for All“ (#sc4a) die Räume in der Platostraße neben dem ehemaligen Technischen Rathaus. Seit Samstag waren diese besetzt worden, um für ein offenes, selbstorganisiertes Begegnungszentrum für Geflüchtete und andere Benachteiligte zu demonstrieren. Wie Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) mit Mitgliedern der Initiative bei einem Gespräch vereinbarte, will die Stadt die Gruppe bei der Suche eines geeigneten Raumes unterstützen. Jung stellte aber auch klar, dass die Besetzung widerrechtlich war. „Ich werde so eine Situation nicht noch einmal dulden können“, sagte er.
Es sei aber richtig gewesen, die Teilnehmer nicht zu kriminalisieren, „auch wenn die Tat zu verurteilen ist.“ Die Motive der Gruppe seien sehr ehrenwert gewesen. Es handele sich um junge Leute, die an der Situation in Sachsen, auch angesichts der vielen rassistischen Übergriffe, „beinahe verzweifeln“. Deshalb wolle die Initiative Netzwerken und ähnlichen Projekten unbürokratisch einen Raum geben. Im politischen Diskurs arbeite man nun an der richtigen Form, so der OBM. Jung erklärte, dass für das Gebäude in der Platostraße aber nicht zur Verfügung stehe. Für die Immobilie sei bereits eine neue Nutzung beabsichtigt. Man sei dazu mit einem wissenschaftlichen Institut im Gespräch.
Das „Social Center for All“ kündigte seinerseits an, dass am Sonntag ein Verein gegründet worden sei. Dieser müssen nun in die Gemeinnützigkeit geführt werden. „Wir sehen unser Anliegen legitimiert“, sagte Alex Herzog (25), Sprecher der fünfköpfigen Delegation, am Montag nach dem fast zweistündigen Gespräch mit Jung, Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) und Ordnungsdezernent Heiko Rosenthal (Linke). Die Initiative finde es zwar „schade und anstrengend“, dass für neue Projekte immer wieder bürokratische Hürden genommen werden müssen. Herzog zeigte sich aber zuversichtlich, dass mit der Hilfe der Kommune möglichst in den nächsten sechs Monaten neue Räumlichkeiten gefunden werden. Eine Finanzierung sei aber derzeit noch kein Thema gewesen.
Der OBM stand beim Tempo eher auf der Bremse. Die Vereinsgründung sei der richtige Weg, damit gebe es künftig eine Trägerschaft für das Projekt. Geeignete Räume müssten gefunden, weitere Menschen für die Arbeit überzeugt werden. „Ein Engagement muss man lange aufrecht erhalten“, sagte er.
Räumung mit Rauchbombe
Zu den Verhandlungen im Neuen Rathaus hatte die fünfköpfige Abordnung von "Social Center for all" eine süße Überraschung im Gepäck. Sie brachten Jung zu seinem 58. Geburtstag eine Torte mit, stilecht mit dem Schriftzug ihres Projekt verziert. Jung schnitt den Kuchen auch gleich an. "Ist das jetzt ein gutes Omen, oder nicht, wenn ich das jetzt zerteile?", fragte er. "Das ist ja nur ein Zeichen", erwiderte eine Sprecherin. Das echte Geschenk sei ja das Soziale Zentrum für alle.
Für ihr Ziel eines "Social Center" hielt die Initiative die ehemalige Führerscheinstelle in der Platostraße etwa zwei Tage lang besetzt. Nach der Duldung bis zum Montagmittag wurde das Haus für den Auszug beräumt, sagte eine Sprecherin. Zeitgleich zum Gespräch im Neuen Rathaus fand in der Platostraße eine angemeldete Kundgebung statt. Vor Ort fanden sich etwa 60 Teilnehmer ein. Vor der Räumung wurde im Gebäude eine Rauchbombe gezündet. Am Morgen hatte Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) das Gelände noch einmal besucht. Die Initiative trommelte parallel über die Sozialen Netzwerke weiter für Unterstützung.
Am Samstag hatte die Stadt das Projekt zunächst geduldet. Danach habe die Initiative sofort erste Aktionen zur Umsetzung des Konzepts gestartet. So hätten bereits politische Workshops, ein Arabischkurs sowie ein Abendessen mit rund 130 Unterstützern stattgefunden, teilte die Initiative am Sonntagabend mit.
Grünen-Sprecherin Melcher besucht „Social Center“
Grüne und SPD hatten sich kritisch geäußert. Die SPD-Ratsfraktion erklärte, die Hausbesetzung sei eine inakzeptable Straftat. Der Zweck heilige nicht die Mittel, so Fraktionschef Axel Dyck. Petra Cagalj-Sejdi, migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, befürchtete, dass Geflüchtete instrumentalisiert werden könnten und es möglicherweise um andere Ziele gehe.
Christin Melcher, Vorstandssprecherin des Leipziger Grünen-Kreisverbands, wollte sich aber am Montag gemeinsam mit Vertretern der Jugendbewegung ein eigenes Bild machen. Via Facebook teilte sie mit, dass es in der Partei verschiedene Meinungen zu dem Thema gebe. „Wichtig ist es, dass in diesen Tagen und Monaten gemeinsam und kommunikativ miteinander umgegangen wird, um auch langfristig vielfältige soziale und integrative Strukturen zu ermöglichen.“
Noa König, Pressesprecherin von #SC4a wies den Vorwurf der Instrumentalisierung zurück. Im Gegensatz zu Städten wie Berlin gebe es in Leipzig noch sehr wenig Orte „für die Selbstorganisation von Geflüchteten“. König thematisierte auch den Leerstand der Immobilie und die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten, zum Beispiel an der Deutschen Bücherei. „So lange die Zelte voll sind, darf kein Haus leer stehen“, so König.
Auch in Berlin unterstützte die Initiative „Social Center 4 All“ eine Hausbesetzung, um dort ebenfalls ein offenes Begegnungszentrum zu schaffen. Medien berichten, dass die Besetzer das Haus in der Köpenicker Straße am Sonntagabend aber wieder verlassen haben.