"Unser Feminismus ist antirassistisch - Reclaim feminism" - Details unter: reclaimfeminism.org, facebook.com/events/169195730123357/
Bündnis-Aufruf:
WORÜBER GESCHWIEGEN WIRD
Das Jahr 2016 hat in vielen Städten
Deutschlands mit Übergriffen auf Frauen* begonnen – auch in Köln.
Sexualisierte Gewalt gegen Frauen* ist in der Silvesternacht sichtbar
geworden – unübersehbar in die öffentliche Debatte gezerrt. Wieso
plötzlich das mediale Interesse? Die Thematisierung ist richtig und
wichtig. Den Betroffenen der sexualisierten Übergriffe von Silvester –
und aller sexualisierten Übergriffe, die alltäglich passieren – muss
jegliche gewünschte Solidarität und Unterstützung zukommen. Es ging
dabei jedoch nicht vorrangig um die Benennung sexualisierter Gewalt,
sondern um die vermeintliche Herkunft der Täter – und das unverhohlen
rassistisch: Im Verlauf wurde schnell nicht mehr über Sexismus
gesprochen, sondern über die Verschärfung des Asylrechts, Abschottung
und Abschiebung. Ein gängiges Fazit: Nicht der Sexismus in diesem Land
sei das Problem, sondern die zu uns Geflüchteten. Jedoch: Sexismus ist
nicht nach Deutschland eingewandert, Sexismus ist hausgemacht. Er findet
statt – schon immer, ständig und überall. Sexismus findet sich
strukturell in unterschiedlich hoher Entlohnung, Benachteiligung aller
Frauen*, speziell von
Transfrauen und Frauen* of colour, am Arbeitsmarkt oder in
unterschiedlichen Belastungen, bspw. durch Kinderbetreuung wieder. Er
findet sich ebenso in sexistischer Werbung und in den Seminaren von
sogenannten „Pick-up Artists“, in den Männer lernen, wie sie Frauen*
gegen ihren Willen verfügbar machen. Nicht gesprochen wird über
sexualisierte Gewalt, die in den eigenen vier Wänden stattfindet. So
finden mehr als zwei Drittel aller Vergewaltigungen im nahen Umfeld
statt, von Verwandten, Bekannten und (Ex-)Partnern. Nicht gesprochen wird über die alltägliche Sexualisierung und sexualisierten Übergriffe auf Frauen* of colour.
WORÜBER WIR SPRECHEN SOLLTEN
Statt sich in rassistischen Debatten über
Täterschaft zu ergehen, sollte über die Funktion und Bedeutung von
sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus gesprochen werden – und
das weltweit. Es sollte um den Rassismus und die andauernde Gewalt
gegen Geflüchtete gehen, denn weiter gibt es täglich Anschläge gegen
Unterkünfte.
Es muss über die Kriege gesprochen werden, an denen die BRD beteiligt
ist. Über ihren brutalen Charakter, die Militarisierung nach Außen und
Innen und ihre Fortsetzung in den Geschlechterverhältnissen. Diese
Kriege vertreiben Menschen, zerstören ihre Lebensgrundlage und zwingen
sie zur Flucht. Dafür trägt die menschenverachtende Politik der EU die
Verantwortung – voran die BRD. Viele Frauen* und Kinder sind auf der
Flucht und auf dem lebensgefährlichen Weg in Richtung Sicherheit und in
den Geflüchtetenunterkünften in höchstem Maße sexualisierter Gewalt
ausgesetzt. Viele Frauen* und Kinder müssen zurückbleiben und werden
durch die Beschlüsse der deutschen Bundesregierung, wie im Asylpaket II,
in lebensgefährlichen Kriegsgebieten oder an Europas Außengrenzen der
Gewalt überlassen. Denn die Asylrechtsverschärfung, die die Regierung
als Reaktion auf die sexualisierte Gewalt verkaufen will, trifft in
Wirklichkeit Frauen* und Kinder weltweit am härtesten.
Innerhalb Deutschlands sind wir schon seit Jahren mit einem Backlash
(also einem Rückschritt bei den feministischen Errungenschaften)
konfrontiert. Dabei stellen Entwicklungen wie ungleiche Lohnbezahlung,
Herdprämie, die Proteste der sogenannten Lebenschützer*innen, homo- und
transphobe Mobilisierungen gegen sexuelle Bildung und
Antidiskriminierungsarbeit an Schulen sowie die Akzeptanz sexualisierter
Gewalt nur eine kleine Auswahl dar. Aktuell werden diese in
rassistischen und antifeministischen öffentlichen Debatten deutlich.
Rechtspopulistische Parteien und neonazistische Gruppierungen erfahren
einen Aufschwung, werden hoffähig gemacht und benutzt, um eine
rassistische Politik durchzusetzen.
WAS WIR FEIERN
Wir feiern kämpferische Frauen* und
Frauen* in Kämpfen, die zeigen, dass eine solidarische, befreite Zukunft
möglich ist. So beispielsweise die Frauen, die in der Revolution
im kurdischen Rojava im Norden Syriens aktiv sind.
Wir feiern alle, die in Frauen*häusern arbeiten oder Geflüchtete unterstützen.
Wir feiern all die mutigen Frauen*, Lesben, Trans* und Inter*personen,
die sich einer hierarchischen Geschlechterordnung widersetzen.
Wir feiern all jene, die Zäune überwunden haben und die Festung Europa kurzzeitig ins Wanken gebracht haben – jetzt erst recht!
Organisieren wir uns global, ohne Grenzen!
Wir wollen eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne
Ausgrenzung, ohne den sexistischen und rassistischen Normalzustand. Wir
wollen Solidarität und Respekt untereinander.
Es lebe die Verschiedenheit!
Im Rahmen des internationalen Frauen*kampftages wollen wir unseren
Protest sowohl gegen Sexismus als auch Rassismus entschieden, laut und
kämpferisch auf die Kölner Straßen tragen: Unser Feminismus ist
antirassistisch – erst recht nach den Übergriffen der Silvesternacht.
Wir sehen uns bei der bundesweiten Demo am 12.3.2016 in Köln!