Soli-Netzwerke der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) außerhalb der Haftanstalten schaffen!
Am Sonntag, den 25. Januar 2016 fand das erste Regional-Treffen GG/BO-solidarischer Gruppen in Leipzig statt, um die GG/BO-Basis außerhalb der Haftanstalten zu stärken. Es trafen sich Menschen aus den Bundesländern Berlin, Brandenburg (entschuldigt abgesagt), Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. Wir haben zu diagnostizieren, dass die GG/BO draußen aktuell zu schwach aufgestellt ist. Bei dem Treffen ging es zunächst um Einschätzungen, außerhalb der Knastmauern lokale Unterstützer_innengruppen der GG/BO zu finden, die schrittweise ein stabiles regionales Netzwerk aufbauen.
Hintergrund des Treffens
Die GG/BO befindet sich in einer Schieflage: in den Haftanstalten haben wir über 800 nominelle Mitglieder (Entlassene, die für uns nicht mehr erreichbar sind, fliegen aus der Kartei.) und einige Dutzend nicht inhaftierte Mitglieder. Die GG/BO ist eine kleine basisnahe Gewerkschaft, die ganz bewusst vor und hinter den Gefängnismauern existiert, um die soziale Frage hinter Gittern von diesen beiden Standbeinen aus anzugehen.
 Wir stehen vor dem „Luxus-Problem“, dass
 die GG/BO in den JVA´s viel zu schnell gewachsen ist. Wir haben in den 
letzten Monaten keine offensive Mitgliederwerbung betrieben, um unsere 
bisherigen organisatorischen Probleme nicht noch weiter zu vergrößern. 
Wir brauchen aktuell in erster Linie eine Stärkung des Standbeins vor 
den Knasttoren, damit wir den Anforderungen, die an uns gestellt werden,
 gerecht werden können. 
 Es war anfangs fraglich, ob die Bildung 
eines solchen Netzwerks überhaupt möglich sein würde, da die zeitliche 
Belastung bei allen Mitstreiter_innen bereits jetzt sehr hoch ist. Wir 
dürfen nach dem ersten Treffen vorsichtig optimistisch sein, dass wir in
 den kommenden Monaten eine arbeits- und funktionsfähige 
Netzwerk-Struktur – zuerst - für den ostdeutschen Raum schaffen können. 
Möglicherweise bietet diese Strukturbildung eine gute Vorlage, um 
ähnliche Regional-Treffen in anderen Bundesländern stattfinden zu 
lassen.
Zusammensetzung des Treffens
Auf dem Treffen nahmen sowohl GG/BO-Mitglieder als auch GG/BO-solidarische Nicht-Mitglieder teil. Der Rahmen ist insoweit offen, dass eine konkrete GG/BO-Mitgliedschaft keine „Einlasskarte“ für ein solches Treffen darstellt. (Die spezifische Einladung erfolgt über die vorbereitende Gruppe und die kommunizierbaren Ergebnisse werden entsprechend vorgestellt.) Eine Teilnahme ehemaliger Inhaftierter ist für das Zustandekommen eines solchen Zusammenkommens keine Grundvoraussetzung, aber auch nicht zu vernachlässigen, weil Hafterfahrung den Blick für die Thematik vermutlich deutlich schärft.
 Grundkonsens aller 
Beteiligten ist, dass die GG/BO-Arbeit vor und hinter den dicken 
Gitterstäben aus gewerkschaftspolitischer Sicht – trotz oder wegen 
etwaiger inhaltlicher Differenzen – aktiv unterstützt und getragen wird.
 
 Den GG/BOler_innen und GG/BO-solidarischen Aktivist_innen geht es 
darum, die „Sonderwirtschaftszone Knast“ offensiv zu thematisieren, um 
das staatlich beförderte Sozial- und Lohndumping über den Weg der vollen
 Gewerkschaftsfreiheit für engagierte Gefangene und inhaftierte 
Kolleg_innen in Etappen aufzuheben. Die GG/BO braucht hierfür das 
(punktuelle) Bündnis mit (Basis-)Gewerkschaften, Menschenrechts- und 
Gefangenenhilfsorganisationen sowie progressiven Vertreter_innen 
parlamentarischer Parteien, um die erforderliche gesellschaftliche 
Breitenwirkung zu erlangen, um durchsetzungsfähig werden zu können.
 
Die Gefangenenfrage ist eine bündnispolitische Frage. Von sozialliberal 
bis entschieden links reicht in der Regel das Spektrum derer, die sich 
um dieses Thema gruppieren - allerdings spiegelt sich das in der 
aktuellen Zusammensetzung der Aktivist_innen des Regional-Treffens erst 
zum Teil wider.
Brennpunkte des Treffens
Anlaufschwierigkeiten und eine thematisch überladene Tagesordnung dürften typisch für ein Auftakttreffen sein. Die Vielzahl der vordringlichen Diskussionspunkte, die organisatorische (u.a. Dezentralisierung/Regionalisierung), inhaltliche (u.a. GG/BO-Leitlinien) und praktische (u.a. „Aktivierende Untersuchung“) Fragen umfassten, konnten – logisch – nicht im Rahmen einer Zusammenkunft abgearbeitet werden. Zumindest konnten einige Schlaglichter gesetzt werden, Schwerpunktsetzungen, die mittelfristig die Gewerkschaftspolitik der GG/BO vor allem vor den Hafttoren bestimmen werden.
 Die GG/BO muss 
sich lokalisieren und regionalisieren. Über die Bildung lokal 
verankerter GG/BO-Gruppen und/oder GG/BO-solidarischer Zusammenhänge ist
 der Weg zu einer regionalen Organisierung in der Tat weit. Da seit der 
sog. Föderalismusreform 2006 der Strafvollzug Ländersache geworden ist 
und nahezu alle Bundesländer eigene Landesstrafvollzugsgesetze durch die
 Parlamente gebracht haben, scheint der Aufbau von Landesorganisationen 
in der Perspektive sinnvoll.
 Die GG/BO wird ihr inhaltliches, in der
 Hauptsache gewerkschaftspolitisches Profil schärfen müssen. Die 
bisherigen GG/BO-Leitlinien der Kollegialität, Solidarität, Autonomie 
und Sozialreform sind ein wichtiges Fundament, das aber durch eine 
klare(re) Positionierung gegenüber gruppenbezogener 
Menschenfeindlichkeit in allen ihren Schattierungen gestärkt werden 
muss.
 Mit einer Neuauflage der „Aktivierenden Untersuchung“ 
versuchen wir, die sprichwörtlich unter Verschluss gehaltene 
Betriebslandschaft hinter Gittern in den Fokus zu nehmen. Eine 
Selbstorganisierung engagierter Gefangener und  inhaftierter 
Gewerkschafter_innen klappt hierüber erfahrungsgemäß recht gut. Die 
GG/BO-Strukturen draußen fungieren im Kontext dieser Untersuchungsarbeit
 als Sprachrohr und schaffen einen Resonanzboden, um nach einer 
Auswertung die Ergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit 
vorzustellen, die es real gibt.
 Über punktuelle, knastspezifische 
Kampagnen gelingt es, die GG/BO-Politik drinnen und draußen plastisch zu
 machen. Ja, und wie der Zufall so will, können wir ein solches 
„Fallbeispiel“ präsentieren: Unterstützt unsere GG/BO-Sektion in der JVA
 Untermaßfeld (Thüringen)! Unser GG-Sprecher David Hahn ist im 
„rot-/rot-grünen Musterland“ seit Monaten mit anstaltsinternen Schikanen
 konfrontiert, weil er sich für die Kernforderungen der GG/BO in 
Bewegung setzt.
Ausblick des Treffens
Es ist in der Anfangszeit hilfreich, einen eher kürzeren, regelmäßigen Treff-Rhythmus zu wählen, damit sich Struktur und Kontur des Koordinierungstreffens entwickeln können. Vieles bleibt aber bis dahin fragil – keine Frage.
 Wir haben bislang nicht ausreichend realisiert, dass eine GG/BO 
innerhalb der Haftanstalten ohne ein wesentlich breiteres und festeres 
Standbein außerhalb der Haftanstalten nur unzureichend stabilisiert 
werden kann. Es reicht auch schon längst nicht mehr, deutschland- und 
österreichweit Info- und Diskussionsveranstaltungen zur GG/BO 
abzuhalten, ohne dass sich örtliche Soli-Zusammenhänge bilden und aktiv 
werden. Hierauf werden wir ab jetzt ein viel größeres Augenmerk legen 
müssen. 
 Das Phänomen ist, dass (einige) inhaftierte Kolleg_innen 
bereits zwei, drei Schritte den (zu wenigen) nicht inhaftierten 
Kolleg_innen voraus sind. Die GG/BO draußen übt sich in einer Art 
Nachtrabpolitik – kurios, aber wahr. Die Gefangenen haben längst 
vorgelegt, wir Ex-Gefangenen oder Noch-Nie-Gefangenen hatten und haben 
nachzulegen. Die Zeit drängt ein wenig. 
 Wir hoffen, dass wir einen 
entscheidenden ersten (kleinen) Schritt mit dem Regional-Treffen 
gegangen sind, damit die Verbindung zwischen draußen & drinnen 
tatsächlich vitalisiert werden kann. Jetzt sind wir dran...
Das nächste Treffen wird am Sonntag, den 28. Februar 2016 wiederum in Leipzig stattfinden.
 Veränderungen sind möglich, selbst grundlegende – auch im Miniaturstaat Haftanstalt!
 Volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern!
 Kein Knast ohne GG/BO!

