Chronologie – so lief der Demo-Tag

Erstveröffentlicht: 
14.12.2015

Erste Anschläge schon in der Nacht / Polizei bis zum Abend im Dauereinsatz

 

8 Uhr: Unbekannte entzünden in S-Bahn-Kabelschächten nahe der Haltepunkte Connewitz und Plagwitz Brandsätze, wohl um die Anreise der Neonazis zu erschweren. Betroffen sind nach Angaben der Polizei die Strecken von Gera nach Leipzig sowie von Markkleeberg nach Leipzig.

 

11. 35 Uhr: In der Nacht haben Unbekannte ein Objekt mit Büros der Linken-abgeordneten Marco Böhme, Susanna Karawanskij, Axel Troost und Cornelia Ernst im Stadtteil Lindenau attackiert und Scheiben zerstört. Die Partei schätzt den Schaden auf über 5000 Euro.

 

11.40 Uhr: An mehreren Stellen im Stadtgebiet sind in der Nacht zum Sonnabend Autoreifen, Absperrungen und Mülltonnen angezündet worden. Vor dem Conne Island soll ein Berg mit hunderten Reifen in Flammen aufgegangen sein, so die Polizei. Auch nach Schleußig, Reudnitz und zum Connewitzer Kreuz musste die Feuerwehr ausrücken, um Brände zu löschen.

 

12.02 Uhr: Die Polizei ist bereits seit Stunden im Stadtgebiet aktiv. Zum Aufgebot gehören auch die Reiterstaffel, vier Wasserwerfer und zwei gepanzerte Räumfahrzeuge.

 

12.26 Uhr: Die erste Gegendemonstration „Nieder mit dem Ba’ath-Regime in Syrien“ hat auf der Arthur-Hoffmann-Straße begonnen. Bisher sind etwa 100 Teilnehmer dabei. An den insgesamt acht friedlichen Gegendemonstrationen beteiligen sich nach Angaben der Initiative „Durchgezählt“ mindestens 2500 Menschen.

 

12.42 Uhr: Etwa 150 Teilnehmer der rechtsextremen Demo versammeln sich an der S-Bahn-Haltestelle unweit des MDR. Einen geplanten Sternmarsch von Offensive für Deutschland, Die Rechte und Thügida nach Connewitz hatte die Stadt zusammengelegt zu einer Demo von der Kurt-Eisner-Straße über die Arthur-Hoffmann-Straße bis zur Ecke Arndtstraße.

 

13.15 Uhr: Rund 50 vermummte Gegendemonstranten wollen vom Südplatz aus über die Karl-Liebknecht-Straße in Richtung Süden ziehen. An der Ecke zur Kurt-Eisner-Straße kommt es zur Auseinandersetzung mit der Polizei.

 

13.49 Uhr: Auf der Karl-Liebknecht-Straße bietet sich jetzt ein Bild der Verwüstung. Absperrungen der Haltestelle an der Ecke Kurt-Eisner-Straße wurden zerstört, Werbeaufsteller entglast. Auf der Straße liegen Steine.

 

13.50 Uhr: Auf der Kreuzung Arthur-Hoffmann-/Kurt-Eisner-Straße haben sich Gegendemonstranten zu einer Sitzblockade formiert. Sie werden sofort von Polizisten umstellt.

 

14.05 Uhr: Auf der Kurt-Eisner-Straße werden Müllcontainer in Brand gesetzt. Anwohner löschen, die Feuerwehr rückt mit einem Fahrzeug an.

 

14.42 Uhr: Der Naziaufzug marschiert los. Aus Hinterhöfen entlang der Kurt-Eisner-Straße fliegen Böller und Steine.

 

14.55 Uhr: Die Polizei setzt Wasserwerfer auf dem Südplatz ein. Beamte treiben Gewalttäter auseinander.

 

15.01 Uhr: Die Polizei geht nun gewaltsam gegen Linksautonome vor. Die Karl-Liebknecht-Straße verwandelt sich in ein Schlachtfeld.

 

15.15 Uhr: Zwischenkundgebung der Neonazis: Ex-Legida Mann Silvio Rösler spricht von patriotischem Widerstand. Ex-NPD-Mann Alexander Kurth trägt eine Nordkorea-Flagge.

 

15.37 Uhr: Silvio Rößler kündigt auf der Neonazidemo an: „Wir kommen wieder.“ Kurz darauf ist der Umzug wieder am Ausgangspunkt angekommen und wird beendet. Vom Band kommt: „Deutschland, Deutschland über alles...“ in allen Strophen.

 

15.39 Uhr: Die Polizei räumt die Kreuzung Karl-Liebknecht-/Kurt-Eisner-Straße mit Wasserwerfern.

 

15.50 Uhr: Zum Abschluss laden die Redner bei den Neonazis die Teilnehmer ein, am Abend auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Dann ziehen sich die Rechten zur S-Bahn zurück.

 

15.59 Uhr: Die Ausschreitungen finden kein Ende, jetzt brennen in der Kochstraße Barrikaden.

 

16.21 Uhr: Die Polizei hat ihre Kräfte an der Kreuzung Karl-Liebknecht-/Kurt-Eisner-Straße gesammelt und droht jetzt über Lautsprecher mit gewaltsamer Räumung.

 

16.55 Uhr: Die Polizei hat Kreuzung unter massivem Einsatz von Wasserwerfern Tränengas und Pfefferspray geräumt.

 

21.02 Uhr: Die Lage scheint sich derzeit beruhigt zu haben. Die Polizei fahre Streife und schütze verschiedene Objekte, informiert Behördensprecher Andreas Loepki, registriere derzeit aber keine gewaltsamen Aktionen mehr. lvz



 

Landfriedensbruch:

Stadtjugendpfarrer in Polizeigewahrsam

Am Rande der Neonazi-Demo ist auch der seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagierte Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König in Gewahrsam genommen worden. Er hatte am Sonnabend auf einer linken Gegendemonstration von seinem Lautsprecherwagen aus gesprochen, hieß es. Die Polizei berichtete, er sei „wegen Beteiligung am Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Präventivgewahrsam genommen“ worden. Sein Kleinbus, der als Lautsprecherwagen diente, wurde demnach „als Tatmittel beschlagnahmt“.

 

Noch am späten Samstagabend teilte die Polizei mit, dass der Stadtjugendpfarrer „nach Wegfall der Gewahrsamsgründe die Polizeidienststelle samt Transporter wieder verlassen konnte“.

 

König nimmt regelmäßig an Demonstrationen gegen Neonazis teil. Im Jahr 2011 soll er in Dresden bei einem Protest gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. König hat diese Vorwürfe bisher immer bestritten. F. D.



 

Gerüchte um Todesfall am Rande der Demos


Ein junger Mann liegt mit einer Kopfwunde am Boden und regt sich nicht mehr: Filmaufnahmen eines Kamerateams machen am Sonnabend im Internet die Runde – und sorgen für Gerüchte. Demnach soll der erheblich verletzte Gegendemonstrant sogar gestorben sein. Die Polizeidirektion reagierte am späten Samstagabend mit einer Klarstellung: „Die im Internet kursierende Meldung, wonach ein Versammlungsteilnehmer verstorben sei, können wir nicht bestätigen“, so Behördensprecher Andreas Loepki. „Nach unseren Informationen, die aber aufgrund bestehender ärztlicher Schweigepflichten noch nicht bestätigt werden konnten, wurde für einen jungen Mann infolge eines wohl epileptischen Anfalls eine ärztliche Behandlung notwendig. Der Betroffene soll das Krankenhaus bereits wieder verlassen haben – zu Fuß.“ F. D.