Leipzig. Die Kontroverse um den am Mittwoch geräumten Wagenplatz an der Riesaer Straße in Paunsdorf geht in die nächste Runde. Am Donnerstagmorgen sind mehrere Wagen des Kollektivs Mora Riesa vor dem Neuen Rathaus aufgefahren. Drei Dutzend Personen blockierten dort teilweise die Straße. Bereits am Mittwoch hatten 30 Wagenplatz-Bewohner und Unterstützer vor dem Rathaus gegen die Räumung protestiert und auch in der unteren Wandelhalle Transparente mit Aufschriften wie „Keine Polizeigewalt“ und „Recht auf Stadt“ aufgehängt (die LVZ berichtete).
„Wir fordern von der Stadt, endlich Verantwortung zu zeigen, uns klare Verhandlungspartner zu benennen und Gesprächsangebote zu unterbreiten“, hieß es in einer Mitteilung des Kollektivs. Man habe nach der aus ihrer Sicht nicht verhältnismäßigen Räumung durch die Polizei sofort das Gespräch mit dem zuständigen Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) gesucht. Der Dialog sei aber ergebnislos verlaufen. Eine Rückkehr auf die zuvor geräumte Fläche sei ausgeschlossen, eine Alternativfläche zur übergangsweisen Nutzung nicht angeboten worden. Statt gemeinsam auf eine Lösung hinzuarbeiten, kriminalisiere die Stadt die Bewohner, auch wenn diese sich verhandlungsbereit zeigten.
Dieser Auffassung, die am Vortag schon Rosenthals Parteifreundin, die Linken-Landtagsabgeordnete und Stadträtin Juliane Nagel äußerte, wollte der Ordnungsbürgermeister allerdings nicht folgen. Er habe den Mitgliedern des Kollektivs im Gespräch am Mittwoch erläutert, dass er durchaus bereit sei, über den weiteren Ablauf zu sprechen. Man könne ihn jederzeit kontaktieren. Rosenthal unterstrich aber auch, dass er gegenüber Mora Riesa deutlich gemacht habe, dass die Stadt über die schon bestehenden Wagenplätze hinaus ad hoc über keine Flächen verfüge, die rechtmäßig als Standplatz zu nutzen wären.
Besondere Kritik äußerten die Mitglieder des Kollektivs am Vorgehen der Polizei. Die hatte die Wagen nach dem Abtransport mit Räumpanzern am Rand der Riesaer Straße abgestellt. Da dies öffentlicher Grund sei, wäre ein Übernachten in den Wagen illegal gewesen, die Bewohner seien also faktisch obdachlos geworden, so ein Sprecher.
Darüber hinaus äußerten die Bewohner Enttäuschung über das Verhalten der Stadt im Vorfeld der Räumung. Immer wieder sei die Verantwortung zwischen den verschiedenen Stellen hin und her geschoben worden, niemand habe sich richtig zuständig gefühlt. „Wir waren ja gesprächsbereit. Warum muss man stattdessen die Brechstange ansetzen?“, fragte der Sprecher.
Auch diesen Vorwurf wies das Ordnungsdezernat zurück. Es bestehe kein Zweifel, dass die Besetzung des Geländes an der Riesaer Straße unrechtmäßig erfolgt sei. „Hier wurde ohne Ankündigung, ohne Nachfrage, und ohne im Vorfeld das Gespräch zu suchen, einfach ein Platz besetzt“, so Heiko Rosenthal. Die Wagenplatz-Bewohner hätten jederzeit ihren Bedarf im Vorfeld beim Eigentümer der Fläche – in diesem Fall der Stadt – anmelden können. „Statt erst zu besetzen und dann das Gespräch zu suchen, sollte es genau andersherum laufen“, unterstrich Rosenthal. In Bezug auf die an die Riesaer Straße verbrachten Wagen verwies er darauf, dass rein rechtlich jeder selbst für sein Eigentum verantwortlich sei. Es sei nicht Sache der Stadt, für einen geeigneten Stellplatz oder die Sicherung der Wagen zu sorgen. Diese Aufgabe liege bei den Wageneigentümern selbst.
„Wir lassen uns nicht abkanzeln“
Die Gruppe Mora Riesa setzt sich aus Zugezogenen und Bewohnern des ehemaligen Wagenplatzes am Jahrtausendfeld zusammen. Dieser war im September wegen Bauvorhaben der Stadt auf eine Fläche in Lindenau umgezogen. Da dort der Platz knapp wurde, habe man sich auf die Suche nach einem neuen Standort begeben. Das Gelände an der Riesaer Straße, das zur Pachtfläche des SV Fortuna gehört, sei für die Gruppe laut eigenen Angaben ideal gewesen. „Die Fläche liegt seit Jahren brach, weder der Sportverein hatte eine Verwendungsmöglichkeit, noch ist sie aufgrund des Grundstückszuschnitts für Investoren und industrielle Nutzung attraktiv. Wir hatten bereits angeboten, für die Instandhaltung des Geländes und die Baumpflege zu sorgen“, heißt es in dem Schreiben des Kollektivs. Die Wagenplatz-Bewohner betonten, dass sie nicht auf eine Eskalation der Situation abzielten, stellen in ihrem Schreiben aber auch klar: „Wir lassen uns nicht abkanzeln. Leipzig braucht Wagenplätze!“