Mit einem Sternmarsch wollen am Samstag gleich drei rechte Gruppen in Richtung des alternativen Leipziger Stadtteils Connewitz marschieren. Dort wird das Ansinnen als besondere Provokation aufgefasst. Die Kommune hat eine Verlegung der Routen verfügt.
Leipzig. Seit einem Jahr marschieren Rechtspopulisten und -extremisten im Wochenrhythmus durch Leipzig. Nach inzwischen mehr als 30 Kundgebungen und Demonstrationen von Legida und Offensive für Deutschland (OfD) droht der Messestadt am kommenden Samstag nun sogar ein Sternmarsch verschiedener fremdenfeindlicher Gruppen. OfD, Die Rechte und der Pegida-Ableger Thügida wollen am 12. Dezember von drei Punkten aus durch den Leipziger Stadtteil Connewitz laufen. Die Bewohner empfinden das als Provokation, schließlich wird das Viertel seit Jahrzehnten von alternativem Leben und Kultur geprägt.
Und das Ansinnen bleibt nicht unbeantwortet: Parallel zu rechtsextreme Gruppen, die mit martialischen Aufrufen seit Wochen für die Teilnahme an ihren Aufmärschen trommeln, werben auch zahlreiche Institutionen im Süden Leipzigs für friedlichen Gegenprotest. Darüber hinaus gibt es auch aggressive Töne aus dem Connewitzer Untergrund, die ihrerseits handfeste Reaktionen ankündigen. Die Ausgangslage gleicht einem Pulverfass – ähnlich der Situation vor zehn Jahren, als Neonazis um Christian Worch (damals NPD) mehrfach versuchten, durch Connewitz zu marschieren.
Am Mittwochabend verfügte die Stadtverwaltung nun eine Verlegung aller drei rechten Demos in die nahe Südvorstadt. Es mag der Versuch sein, etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen. Als Gründe führte das Ordnungsamt den Gottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche, den am Freitag startenden Connewitzer Weihnachtsmarkt mit seinen 80 Ständen unweit der Aufmarschrouten sowie eine Veranstaltung mit Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange am geplanten Endpunkt des Sternmarsches in der Hochschule für Technik und Kultur (HTWK) an. OfD und Co. kündigten bereits juristische Schritte gegen diese Verlegung an. „Wir klagen alles durch bis zur letzten Instanz. Wir geben keinen Fußbreit mehr der Antideutschen Antifa und ihrem Freicorps übelster Menschenfeinde“, hieß es zuletzt auf der OfD-Facebookseite.
Die rechten Aufmärsche am Samstag im Überblick
Die OfD, angeführt von Ex-Legida-Chef Silvio Rösler, wollte mit ihrem Teil des Sternmarsches ursprünglich in den „Dialog beim politischen Widerpart“ eintreten. Wie solche Dialoge aussehen, ließ sich bereits beim halben Dutzend vergangener Demonstrationen in Leipzig erkennen, auf denen gegen Migranten, Muslime und gegen die Bundesregierung gehetzt wurde. Mitunter reihten sich dabei auch rechtsradikale Gruppen und Hooligans in den Protestzug ein. Für ihren „Dialog“ am Samstag wollten Rösler und Co. ursprünglich von der Selneckerstraße übers Connewitzer Kreuz bis zur HTWK laufen.
Die Stadt verfügte am Mittwoch nun aber folgende OfD-Route mit Beginn 14 Uhr: Auftakt Altenburger Straße (zwischen Scharnhorst- und Kurt-Eisner-Straße) → Kurt-Eisner-Straße → Arthur-Hoffmann-Straße → Schenkendorfstraße → Bernhard-Göring-Straße / Schenkendorfstraße am Albrecht-Dürer-Platz.
Die Partei Die Rechte, in der neben Alexander Kurth und Christian Worch auch andere ehemalige NPD-Mitglieder versammelt sind, versteht ihren Teil des Sternmarsches als „Protest für Frieden und Völkerfreundschaft“. Im auf Facebook veröffentlichten Mobilisierungsvideo zeigt sich, mit wem diese Freundschaft gepflegt werden soll: mit Diktatoren, Neonazis und Nationalisten. Die Rechte wollte ursprünglich am Samstag vom Alexis-Schumann-Platz über die Karl-Liebknecht-Straße hinunter bis zur HTWK laufen.
Die Stadt verfügte nun aber ab 14 Uhr folgende Route für Die Rechte: Auftakt Alexis-Schumann-Platz → Karl-Liebknecht-Straße → Schenkendorfstraße → Bernhard-Göring-Straße / Schenkendorfstraße am Albrecht-Dürer-Platz.
Pegida-Ableger Thügida, angeführt vom Greizer NPD-Mann David Köckert, will laut eigenem Ankündigungsvideo den „linken Terror und die linke Diktatur“ im Leipziger Süden beenden und den dortigen Bewohnern kein „Stück deutschen Boden“ überlassen. Der dritte Arm des Sternmarsches sollte ursprünglich von der August-Bebel-Straße über Richard-Lehmann-Straße und Karl-Liebknecht-Straße bis zum gemeinsamen Endpunkt an der HTWK führen.
Die Stadt verfügte aber folgende Route ab 14 Uhr für Thügida: Auftakt August-Bebel-Straße 28 - 34 (Mittelparkstreifen)→ Kurt-Eisner-Straße → Karl-Liebknecht-Straße → Schenkendorfstraße → Bernhard-Göring-Straße / Schenkendorfstraße am Albrecht-Dürer-Platz.
Gegenprotest mit breiter Unterstützung – Ausschreitungen befürchtet
Seit Tagen mehren sich Wortmeldungen aus dem Leipziger Süden gegen die geplanten Aufmärsche, rufen Kulturhäuser und Institutionen zum Gegenprotest auf. Das Film-, Theater- und Konzerthaus UT Connewitz fordert beispielsweise seine Zuschauer auf: „Am 12. Dezember sollen zeitgleich drei rechtsradikale Demonstrationen durch den Stadtteil Connewitz ziehen. Lasst das nicht zu!“ Das nahe Soziokulturzentrum Werk II sieht es ähnlich und schreibt: „Sinn und Zweck ist einzig die Provokation eines Stadtteils, welcher seit vielen Jahren mit Toleranz und Weltoffenheit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegentritt […] Wir werden bunt sein, werden laut sein, werden friedlich dieser Provokation entgegentreten“.
Das Werk II gehört auch zu den vielfältigen Anmeldern von Gegenprotesten am Samstag, will selbst vor seinen Toren am Connewitzer Kreuz präsent sein. Hier trifft sich auch die Initiative „Für das Politische“ mit ihrer Kundgebung (13 bis 17 Uhr). Das seit Monaten gegen Legida aktive Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hat indes Proteste an der HTWK und an der Bernhard-Göring-Straße 107 (jeweils 13 Uhr) angemeldet. Die Gruppe „The Future Is Unwritten“ will bereits an der Kurt-Eisner-Straße / Karl-Liebknecht-Straße (11 Uhr) demonstrieren. Die Kirchgemeinde Connewitz-Lößnig plant an der Paul-Gerhardt-Kirche eine Mahnwache (13 Uhr) und die Satire-Partei „Die Partei“ will von der Simildenstraße aus durch Connewitz laufen (14 Uhr). Der Studentenrat der HTWK plant zwischen 14 und 19 Uhr eine Kundgebung vor der Hochschule an der Karl-Liebknecht-Straße 132.
Auch von höchster Stelle erhalten die Studierenden dabei Unterstützung. So schrieb HTWK-Rektorin Gesine Grande: „Für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist an unserer Hochschule kein Platz.“ Die HTWK werde sich in vielfältiger Weise gegen den unerwünschten Besuch der rechten Demonstranten positionieren, rufe dabei zu kreativem und gewaltlosen Protest auf. „In Vorbereitung sind animierte Projektionen auf ein Hochschulgebäude sowie Banner für die Gebäude, die unmittelbar an der Demonstrationsstrecke liegen“, hieß es.
Angesichts von Internet-Flyern aus dem linken Untergrund, die auch Gewaltbereitschaft vermuten lassen, sind im ohnehin leicht entflammbaren Connewitz auch Ausschreitungen zu befürchten. An diversen Hauswänden im Stadtteil heißt es seit Wochen „12.12. – Nazis jagen“. Ob auch gefälschte Sperrmüll-Zettel in diesen Zusammenhang passen, die zuletzt in Connewitz verteilt wurden, ist unklar. Darin werden Bewohner aufgefordert, am kommenden Samstag Sofas, Schränke und Co. für ein „weltoffenes, buntes Leipzig“ auf die Straße zu stellen. Die Stadtverwaltung wies am Donnerstag allerdings vehement darauf hin, dass es keine solche Sammlung am Samstag gebe und die Zettel nicht aus dem Neuen Rathaus stammen.