Polizist spaziert mit Nazi-Spruch durch Hauptbahnhof

Erstveröffentlicht: 
10.12.2015

Ein Polizist trägt einen Anhänger mit einem Spruch der Wehrmacht zur Schau, der bei alten und neuen Nazis beliebt ist - mitten in Berlin.

 

Schlechter Geschmack ist nicht strafbar, rechter Geschmack manchmal ebenso wenig. Etwa der schwarze Schlüsselanhänger, den ein Leser am Rucksack eines Reisenden in einer Bäckerei im Hauptbahnhof entdeckte. „Klagt nicht, kämpft!“, steht da in roter Frakturschrift auf schwarzem Grund. Der Spruch ist bei alten und neuen Nazis gleichermaßen beliebt, er stammt wohl von der Wehrmacht. Ist das erlaubt?

 

„Strafbar ist nur das, was im Paragraphen 86a des Strafgesetzbuches steht, nicht die Verwendung altertümlicher Schriftarten“, heißt es dazu aus der Pressestelle der Polizei. Doch halt! A propos Polizei... Der Mann trägt doch eine Polizei-Jacke. Der ist Beamter. Hallo Pressestelle? Die Sprecherin stöhnt auf. „Oh, das haben wir erst gar nicht gesehen. Moment. Ich rufe zurück.“

 

Zurück ruft der Chef. „Ach, das wurde im Bahnhof aufgenommen? Na, dann könnte es ja auch die Bundespolizei gewesen sein“, sagt Polizeisprecher Stefan Redlich. Strafbar sei das nicht, aber die Pflichten eines Beamten gingen weit über die Frage der Strafbarkeit hinaus. Beamte müssten Neutralität zeigen und sich mäßigen.

 

Er blättert im Landesbeamtengesetz. Ah ja, Paragraph 101. Der Beamte muss sich „rückhaltlos für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ einsetzen. Immer, auch in seiner Freizeit.

 

Nazi-Verdacht ist schlimm, und die Polizei hatte damit in letzter Zeit öfter zu kämpfen. Ein Beamter verschickte elektronische Weihnachtskarten, auf denen Hitler als Weihnachtsmann mit dem Schriftzug „Ho Ho Holocaust“ zu sehen war. Der 28-Jährige wurde zu 2750 Euro Geldstrafe verurteilt; die disziplinarrechtlichen Folgen verrät die Polizei nicht. Auch andere Vorfälle gab es; das Ganze war Thema im Innenausschuss.

 

Polizeipräsident Klaus Kandt duldet derartige Ausfälle nicht; nach seiner Aussage im Innenausschuss muss die Zivilcourage innerhalb der Polizei gestärkt werden, damit Fälle angezeigt werden. Kandts Vorgänger Dieter Glietsch erließ 2009 die Dienstanweisung, dass Kleidung bestimmter Marken wie etwa Thor Steinar oder Consdaple nicht von Polizisten getragen werden darf. Darin steht auch, dass es in höchstem Maße ansehensschädigend sei, wenn Dienstkräfte „auch nur den Anschein erwecken, mit derartigem Gedankengut zu sympathisieren“. In diesem Lichte wäre der Schlüsselanhänger vielleicht zu prüfen, sagt Polizeisprecher Redlich. Zu kaufen gibt es den Anhänger bei amazon, für 4,40 Euro bei kostenfreier Lieferung. Ein Käufer rühmt in seiner Produktbewertung die „sauberen Nähte“.