Hauptangeklagte im NSU-Prozess bricht ihr Schweigen – und will morgen ihre Rolle beschreiben

Erstveröffentlicht: 
08.12.2015

München. Zweieinhalb Jahre lang hat die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe geschwiegen – nun will sie vor dem Münchner Oberlandesgericht aussagen. Ihr neuer Verteidiger Mathias Grasel will Zschäpes Erklärung im Laufe dieser Prozesswoche verlesen – wahrscheinlich am morgigen Mittwoch. „Diese Erklärung wird sich mit allen angeklagten Punkten beschäftigen, und wir werden da auf jeden einzelnen Punkt eingehen“, sagte Grasel gestern dem Bayerischen Rundfunk. Konkret werde es darum gehen, was Zschäpe gewusst habe und worin sie involviert gewesen sei, erklärte Grasel. Fragen des Gerichts würden voraussichtlich nicht von Zschäpe selbst, sondern von ihm oder seinem Anwaltskollegen Herrmann Borchert beantwortet, sagte er. Angeblich soll Zschäpe gesundheitliche Probleme haben und einen Nervenzusammenbruch erlitten haben. Die Aussage soll aber offenbar trotzdem stattfinden.

 

Er sei zu der Überzeugung gelangt, dass „Schweigen hier nicht mehr die richtige Strategie ist, sondern dringend eine Erklärung geboten ist“, erklärte Grasel, der vom Oberlandesgericht erst im Juli, nach mehr als zwei Jahren Prozessdauer, zum vierten Pflichtverteidiger bestellt worden war. „Das entspricht im Übrigen auch dem ursprünglichen Wunsch von Frau Zschäpe, der bereits seit Ihrer Verhaftung im Jahr 2011 so existierte“, betonte Grasel. Zschäpe wird Mittäterschaft in zehn Mordfällen vorgeworfen. Außerdem muss sich die 40-Jährige wegen besonders schwerer Brandstiftung sowie Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten.

 

Die Rechtsextremisten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe konnten jahrelang unerkannt morden. Das Trio aus Jena tauchte nach einer Razzia in seiner Bombenwerkstatt 1998 ab und gründete eine Terrorgruppe. In den Jahren 2000 bis 2007 erschoss die Gruppe nach Erkenntnissen der Ermittler zehn Menschen, neun davon ausländischer Herkunft. Spätestens ab 2001 nannten sie sich „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Nach dem Tod ihrer Kumpane im November 2011 stellte sich Zschäpe der Polizei. Seit Mai 2013 wird gegen sie und mutmaßliche Unterstützer verhandelt.

 

Der vor gut einem Vierteljahr engagierte Münchner Anwalt Mathias Grasel verhält sich bisher im Prozess still und scheinbar unbeteiligt. In den kommenden Tagen allerdings spielt er die zentrale Rolle. Grasel hat mit seinen 31 Jahren wenig Erfahrung, ist aber offensichtlich ehrgeizig.

 

Im Münchner NSU-Prozess bestimmt jetzt er die Strategie der Hauptangeklagten Zschäpe und nicht mehr ihre drei ursprünglichen Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm – drei gestandene Strafverteidiger.