„Flüchtlinge müssen besser integriert werden“

Erstveröffentlicht: 
25.11.2015
Arbeitgeberpräsident fordert mehr Anstrengungen von der Politik – und Kanzlerin Merkel lenkt ein bei der Leiharbeit

Von Basil Wegener

 

Berlin. Der Terror und die Flüchtlingskrise lassen eingeübte Routinen zwischen Spitzenvertretern der Wirtschaft und der Politik aufbrechen. Nicht die sonst üblichen Aufrufe der Arbeitgeber, die Politik möge die Wirtschaft doch möglichst weitgehend in Ruhe lassen, stehen im Mittelpunkt beim Deutschen Arbeitgebertag in Berlin. Die Unternehmensvertreter präsentieren sich am Dienstag mehr als gewohnt staatsmännisch – und ermahnen die Politiker.

 

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte mit Blick auf die Integration von Flüchtlingen: „Die deutschen Unternehmen sind bereit, ihr Möglichstes zu tun.“ Aber sie könnten die Integration nicht alleine schaffen. So müssten alle Flüchtlinge rasch an verpflichtenden Sprachkursen teilnehmen. „Jedes vierte Unternehmen sucht mittlerweile händeringend Fachkräfte“, sagte Kramer. Die Flüchtlinge seien zwar nicht die alleinige Lösung – qualifizierte, geregelte Zuwanderung könne nicht ersetzt werden. Aber der Flüchtlingszustrom biete eine Chance. Asylsuchenden mit Bleibeperspektive müssten alle Möglichkeiten der Zeitarbeit, von Praktika und der Jobmarkt-Förderung bekommen. Ausnahmen vom Mindestlohn müsse es auch geben.

 

Wichtigster Ehrengast beim Arbeitgebertag war Kanzlerin Angela Merkel. Sie legte den Schwerpunkt ihrer Rede auf die globale Flüchtlingspolitik und sicherte der Türkei mehr Unterstützung dafür zu, dass Zuwanderer dort aufgenommen werden – und auch bleiben können. Merkel kam den Arbeitgebern zugleich in einem anderen Punkt entgegen, und zwar in der Diskussion über die Neuregelung von Werkverträgen, Zeitarbeit und Leiharbeit. Kramer hatte über zu große Regelungswut von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geklagt – und die Überlegungen „praxisfremd, hochbürokratisch, in der Sache unsinnig und so auch undurchführbar“ genannt. Die Kanzlerin reagierte darauf mit der Bemerkung, sie sei „Wächterin des Koalitionsvertrags“. Die bisherigen Pläne aus dem Nahles-Ressort gingen „über den Koalitionsvertrag hinaus“. Weitere Gespräche seien angebracht.

 

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) war ebenfalls Gast des Arbeitstages, und er hatte seinen französischen Ministerkollegen Emmanuel Macron mitgebracht. Beide spannten einen großen Bogen. Macron sprach über den Terror. „Es ist ein langfristiger Konflikt, dem wir gegenüberstehen“, sagte er. Wie Gabriel beschwörte er eine Renaissance Europas als Voraussetzung, der Bedrohungen Herr zu werden. Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Terrorismus – der deutsche Vizekanzler zeigte sich besorgt, dass die EU zu schwach geworden sein könnte und die Staaten zu egoistisch zur Bewältigung der gigantischen Probleme, vor denen die Europäische Union in diesen Wochen stehe.