Rekord bei Asylverfahren in Leipzig

Erstveröffentlicht: 
16.11.2015
Schon jetzt mehr Verfahren als 2014 / Justizminister schickt drei zusätzliche Richter ans Verwaltungsgericht VON FRANK DöRING

 

Leipzig. Die Zahl der Asylverfahren am Leipziger Verwaltungsgericht steuert auf einen neuen Rekordwert zu. Schon jetzt haben die Richter deutlich mehr Fälle auf dem Tisch, als im gesamten vergangenen Jahr.

 

Bis Ende Oktober waren am Verwaltungsgericht 471 Klageverfahren anhängig, teilte das sächsische Justizministerium auf Anfrage der LVZ mit. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 waren es 369. Noch deutlicher ist der Zuwachs bei Anträgen auf vorläufigen Rechtsschutz: 402 sind es aktuell, 145 mehr als im vergangenen Jahr. 2013 waren am hiesigen Verwaltungsgericht lediglich 162 Klagen und 81 Eilanträge anhängig.

 

Hintergrund: Erhalten Asylbewerber einen ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dieser sofort vollziehbar, es kann umgehend abgeschoben werden, erklärt Ministeriumssprecher Jörg Herold. Ein einfacher Widerspruch dagegen habe keine aufschiebende Wirkung. Deshalb beantragt eine zunehmende Zahl von abgelehnten Asylbewerbern vorläufigen Rechtsschutz. Daraufhin findet eine grobe Prüfung des Falles statt und gegebenenfalls im Anschluss ein Klageverfahren.

 

Die Verfahrensflut in Leipzig ist keine Ausnahme im Freistaat. In ganz Sachsen stieg die Zahl der Klagen von 1697 im gesamten Jahr 2014 auf 2401 bis einschließlich Oktober. Bei den Eilanträgen gab es ein Plus von 1204 auf 1966.

 

Alarmierend ist insbesondere, dass die Verfahrenszahl innerhalb weniger Wochen förmlich explodiert. So lagen dem Leipziger Verwaltungsgericht im ersten Quartal 2015 gerade mal 95 Klagen und 73 Eilanträge vor. im zweiten Quartal waren es schon 167 beziehungsweise 132, im dritten Quartal 162 Klagen und 153 Anträge auf Rechtsschutz.

 

Das Justizministerium reagierte auf diese Entwicklung und schuf neue Richterstellen, vorerst befristet für fünf Jahre. In Leipzig sollen ab Januar kommenden Jahres zwei Verwaltungsrichter zusätzlich arbeiten. Hinzu kommt, wahrscheinlich etwas später, ein Kammervorsitzender. „Mit dieser Verstärkung tragen wir den deutlich gestiegenen Verfahrenszahlen bei Asylsachen Rechnung“, so Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) gegenüber der LVZ. „Die Betroffenen sollen schnellstmöglich Klarheit darüber erhalten, ob sie in Deutschland bleiben können oder ob sie unser Land wieder verlassen müssen. Das muss im Interesse aller Beteiligten, aber auch im Interesse der Akzeptanz des Rechts auf Asyl gewährleistet sein. Die zukünftige Entwicklung werden wir genau im Blick behalten.“

 

Mittlerweile gibt es durchaus Anzeichen, dass die Bemühungen Früchte tragen. So konnte die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren an den Verwaltungsgerichten verkürzt werden. Waren es 2014 noch 1,9 Monate, so werden die Fälle aktuell im Schnitt innerhalb von 1,2 Monaten abgearbeitet.

 

Allerdings sei davon auszugehen, dass die Zahl der Verfahren weiter ansteigt, heißt es im Ministerium. Experten rechnen damit, dass im Zuge der beschlossenen Verschärfung des Asylrechts eine neue Klagewelle ansteht. Denn nunmehr sollen etwa die Westbalkan-Staaten Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer behandelt werden. Asylanträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern werden überwiegend abgelehnt – und das deutlich schneller als bisher. Die befürchtete Folge: Ein sprunghafter Anstieg der Verfahren an den Verwaltungsgerichten.