Im Juni 1968 demonstrierten die Belgrader Studierenden und viele ihrer ProfessorInnen für Freiheit und soziale Gerechtigkeit im Sozialismus. Die von ihnen besetzte Hochschule benannten sie in "Rote Universität Karl Marx" um. Der Streik erschütterte für einen Moment die jugoslawische Gesellschaft. Tito und der innerste Führungszirkel des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens erwogen einen repressiven Militäreinsatz, fürchteten aber, dass dieser nur Öl ins Feuer gießen könnte.
Die Proteste in Jugoslawien zeichneten sich durch eine wahrscheinlich 
einmalige Spezifik aus. Denn die Bewegung richtete sich nicht frontal 
gegen das herrschende System. Im Gegenteil: Ihre subversive Sprengkraft 
bestand in der kategorischen Forderung, die Versprechungen der 
jugoslawischen Kommunisten auf eine radikaldemokratische 
(Arbeiter)-Selbstverwaltung und einen "Dritten Weg" jenseits von 
Stalinismus und Kapitalismus tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Dabei
 integrierte sie Elemente des globalen 1968 aus Ost und West.
Referent: Boris Kanzleiter (er leitet das Regionalbüro der Rosa 
Luxemburg Stiftung für Südost-Europa in Belgrad, als Historiker, 
Journalist und Sachbuchautor veröffentlichte er vor allem zur Geschichte
 und Gegenwart des ehemaligen Jugoslawiens, der Vortrag basiert auf 
seiner Promotion: Die »Rote Universität«. Studentenbewegung und Linksopposition in Belgrad 1964-1975, VSA-Verlag, Hamburg 2011.)
Moderation: Mara Puskarevic (Kampagne SolidarnOST)
