Die Meißnerin Louise Otto-Peters war erste Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins - gegründet 1865 in Leipzig
VON DIRK BAAS
 Leipzig/Meißen. Im Jahr 1865 dürfen Frauen in
 Deutschland kein Abitur machen, nicht studieren und wählen schon gar 
nicht. Eine, die zeitlebens gegen diese Diskriminierung kämpft, ist die 
Journalistin und Schriftstellerin Louise Otto-Peters (1819-1895). Sie 
steht den Sozialdemokraten nahe und fordert als erste Frau öffentlich 
die Emanzipation, als dieser Begriff noch gar nicht erfunden ist. Vor 
150 Jahren ist Otto-Peters Mitinitiatorin und erste Vorsitzende des 
Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF): 1865 gründen in Leipzig mehr 
als 120 Frauen auf einer Konferenz zwischen dem 15. und 18. Oktober den 
Verein, der zur Keimzelle der organisierten Frauenbewegung werden 
sollte.
 Ziel ist nicht Wohltätigkeit, sondern der Zugang der Frauen 
zur schulischen, beruflichen und universitären Bildung  -  und damit zur
 eigenständigen Erwerbsarbeit. 1866 hat der Allgemeine Deutsche 
Frauenverein 75 Mitglieder, 1870 sind es bereits mehr als 10000.
 
Louise Otto-Peters, auf Bildern mit hochgesteckten Haaren und strengem 
Blick zu sehen, schreibt schon 1848 über ihre Motive: "Die Geschichte 
aller Zeiten hat es gelehrt und die heutige ganz besonders: dass 
diejenigen, welche selbst an ihre Rechte zu denken vergessen, auch 
vergessen wurden." Magdalena Gehring, Wissenschaftlerin an der TU 
Dresden, urteilt: "Selbst in schwierigen Zeiten blieb Louise Otto-Peters
 ihren politischen Überzeugungen treu und trat für ihre Ideale ein". 
Nach außen habe sich Otto-Peters oft als starke und unwandelbare 
Streiterin für demokratische Werte inszeniert: "Ihre Tagebücher 
offenbaren dagegen auch eine verletzliche Frau, die mit 
Hoffnungslosigkeit und Zweifeln kämpfte".
 Louise Otto wird am 26. 
März 1819 in Meißen als jüngste von vier Töchtern geboren. Ihre Mutter 
ist Hausfrau, der Vater Gerichtsdirektor. Bildung ist für ihn ein 
unschätzbares Gut, und so fördert er die intellektuellen Fähigkeiten 
seiner Töchter entgegen dem Zeitgeist nach Kräften.
 Im Alter von 16 
Jahren verliert Louise erst den Vater, dann die Mutter durch 
Tuberkulose. Später stirbt ihr Verlobter Gustav Müller, Advokat und 
Dichter in Dresden. Sie ist erst 22 Jahre alt und fortan auf sich allein
 gestellt - vielleicht eine Erklärung für ihren ausgeprägten Drang nach 
Selbstständigkeit.
 Mit dem Schriftsteller August Peters, der wegen 
der Teilnahme am Badischen Aufstand in Rastatt 1849 sieben Jahre lang im
 Kerker sitzt, verlobt sich Louise im Gefängnis. 1858 heiratet das Paar.
 Doch auch diese Verbindung steht unter keinem guten Stern: August 
Peters ist von der Haft gesundheitlich schwer gezeichnet - und stirbt 
schon 1864. Für die Witwe beginnt damit eine schwere Zeit. Schulden 
plagen sie. Von den Einnahmen aus dem Journalismus allein kann sie nicht
 leben.
 Louise Otto kann außergewöhnlich gut formulieren, ihr Vater 
hatte sie früh zum Zeitunglesen angehalten. Schreiben wird ihre 
Berufung, ja ihr Lebensinhalt: 1831 publiziert die Autorin ihr erstes 
politisches Gedicht. Insgesamt verfasst sie etwa 60 Bücher, auch viele 
Novellen, Erzählungen und zahllose sozialkritische Zeitungstexte. Ihr 
bekanntestes Werk, der Roman "Schloß und Fabrik" darf nur zensiert 
erscheinen. Zeitgenossen nennen sie voller Anerkennung die "Lerche des 
Völkerfrühlings".
 1849 gründet sie die "Frauen-Zeitung", deren Motto
 lautet: "Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen." Die 
vielgelesene Publikation setzt sich nicht nur mit aktuellen Themen 
auseinander, sondern berichtet auch über Frauen aus anderen europäischen
 Ländern, über Vereinsgründungen und wichtige Aktivitäten einzelner 
Frauen. Das Blatt wird in Sachsen Ende 1850 verboten, doch verlegt die 
Herausgeberin ihre Aktivitäten ins thüringische Gera, wo die Zeitung 
noch bis Mitte 1852 erscheint.
 Im Februar 1865 rufen Louise 
Otto-Peters, die Lehrerin Auguste Schmidt, die Schulvorsteherin Ottilie 
von Steyber, die Fröbel-Pädagogin Henriette Goldschmidt und andere 
Mitstreiterinnen in Leipzig den Frauenbildungsverein ins Leben. Der 
fasst den Beschluss, noch im Oktober eine gesamtdeutsche Frauenkonferenz
 einzuberufen. Die gründet am 18. Oktober den Allgemeinen Deutschen 
Frauenverein.
 Vorsitzende beider Vereine wird Otto-Peters, ihre 
Stellvertreterin Auguste Schmidt. Mit Schmidt gibt Otto-Peters bis zu 
ihrem Tod mit 75 Jahren auch die Zeitschrift des ADF heraus. Auch deren 
Titel ist Programm: "Neue Bahnen". Den ersten großen Erfolg ihrer 
politischen Bewegung erlebt die Pionierin nicht mehr: Im März 1896 legen
 erstmals sechs junge Frauen am Königlichen Luisengymnasium zu Berlin 
ihr Abitur ab.
 Sandra Berndt, die Vorsitzende der 
Louise-Otto-Peters-Gesellschaft in Leipzig, ist überzeugt, dass die Zeit
 einfach reif war für das Streben nach Emanzipation. "Wenn Otto-Peters 
und ihre Mitstreiterinnen nicht so vehement für die Rechte der Frauen 
gestritten hätten, hätten es ganz sicher andere Frauen getan. Dann 
vielleicht etwas später", sagt Berndt. Die Ergebnisse der feministischen
 Forschung belegten diese Annahme. Gleichwohl habe Otto-Peters eine 
überragende Bedeutung für das Ringen um Gleichberechtigung: "Durch ihr 
jahrzehntelanges Engagement wurde Leipzig zur Wiege der deutschen 
Frauenbewegung."
  1993 wurde in Leipzig die 
Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gegründet - mit dem Ziel, Leben und Werk
 der Dichterin, Schriftstellerin, Journalistin und Frauenpolitikerin in 
der Öffentlichkeit bekannt zu machen und zu würdigen. Am  23. Oktober 
verleiht die Stadt Leipzig erstmalig den mit 5000 Euro dotierten 
Louise-Otto-Peters-Preis für besondere Leistungen zur Förderung der 
Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Ehrung geht an das 
Gleichstellungsbüro der Medizinischen Fakultät und des 
Universitätsklinikums Leipzig.
