Bundestag beschließt Gesetz zur flächendeckenden Speicherung von Telekommunikationsdaten - und die Opposition kündigt bereits Verfassungsbeschwerde an
Von Christiane Jacke
Berlin. Nach jahrelangem Streit und gegen den Protest von Opposition und Datenschützern hat der Bundestag eine Rückkehr zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Telekommunikationsdaten sollen künftig bis zu zehn Wochen aufbewahrt werden, damit Ermittler bei der Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen darauf zugreifen können. Linke, Grüne, Piraten, FDP und Netzaktivisten halten das Vorhaben für verfassungswidrig und unverhältnismäßig. Mehrere Politiker und Initiativen kündigten bereits an, gegen das Gesetz zu klagen.
Telekommunikationsanbieter sollen die IP-Adressen von Computern und 
Verbindungsdaten zu Telefongesprächen künftig zweieinhalb Monate 
aufbewahren. Standortdaten bei Handygesprächen sollen vier Wochen 
gespeichert werden, Daten zum E-Mail-Verkehr nicht. Die Behörden dürfen 
die Daten nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen - 
etwa bei der Bildung terroristischer Gruppen, Mord oder sexuellem 
Missbrauch. Den Abruf der Informationen muss ein Richter erlauben. Die 
Daten von Berufsgeheimnisträgern - etwa Rechtsanwälten, Ärzten oder 
Journalisten - dürfen nicht verwertet werden. Die 
Telekommunikationsfirmen müssen bei der Speicherung 
Sicherheitsvorkehrungen einhalten, dazu einen Server im Inland benutzen 
und die Daten nach Ablauf der vier oder zehn Wochen unverzüglich 
löschen. Andernfalls droht ein Bußgeld. 
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem guten Tag für 
Sicherheit und Freiheit und von einem schlechten Tag für Verbrecher. 
Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte sich lange gegen die Rückkehr zur 
Vorratsdatenspeicherung gesperrt, über Monate mit de Maizière um das 
Thema gerungen und erst auf Drängen von SPD-Chef Sigmar Gabriel den 
Entwurf für eine Neuregelung vorgelegt. Maas verteidigte diese nun als 
verhältnismäßig und rechtlich einwandfrei: Im Gegensatz zur früheren 
Regelung würden weniger Daten gespeichert, kürzer aufbewahrt, und es 
gebe hohe Hürden für den Zugriff. 
Das Thema ist innerhalb der SPD dennoch heikel: Ein beachtlicher Teil 
der Fraktion trug Maas' Pläne nicht mit. Während 129 SPD-Abgeordnete mit
 Ja stimmten, sagten 43 Nein zu den Plänen, 7 enthielten sich. Insgesamt
 stimmten 404 Parlamentarier für das Gesetz, 148 dagegen. Die anwesenden
 Unions-Abgeordneten votierten geschlossen dafür, Linke und Grüne 
stimmten geschlossen gegen das Vorhaben. 
Linken-Chef Bernd Riexinger rügte, die Pläne seien "rechtspolitisch eine
 Katastrophe und rechtsstaatlich inakzeptabel". Grünen-Fraktionsvize 
Konstantin von Notz nannte das Vorhaben "Gift für unsere Demokratie" und
 kündigte eine Klage an. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und mehrere 
Datenschutzinitiativen erklärten ebenfalls, sie wollten 
Verfassungsbeschwerde einlegen. Vor dem Bundestag demonstrierten 
Kritiker gegen das neue Gesetz. Es gibt aber auch andere Unzufriedene: 
Sicherheitsbehörden hatten sich längere Speicherfristen gewünscht. Und 
Telekommunikationsfirmen befürchten hohe Kosten für die Umsetzung. "Es 
ist fraglich, ob die angestrebten Ermittlungserfolge einen derart 
starken Eingriff in die Grundrechte der Bürger rechtfertigen", sagte der
 Hauptgeschäftsführer des Bitkom, Bernhard Rohleder. Die 
Telekommunikationswirtschaft müsse nun die gesetzlichen Vorgaben 
umsetzen, sei aber zur praktischen Ausgestaltung überhaupt nicht gefragt
 worden, kritisiert Rohleder. Das habe zum Beispiel zu Formulierungen 
geführt, nach denen "die Speicherung entkoppelt vom Internet" erfolgen 
solle. Es sei aber völlig unklar, wie eine solche Vorgabe überhaupt 
umzusetzen sei. 
Die Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahren umstritten. Der Europäische 
Gerichtshof hatte die EU-weiten Vorgaben 2014 gekippt - wegen Verstößen 
gegen Grundrechte. In Deutschland gibt es schon seit Jahren kein Gesetz 
mehr dazu. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Regelungen 
2010 für verfassungswidrig erklärt.
