Berlin. Die Forderung der Union, Transitzonen für Flüchtlinge an der deutschen Grenze einzurichten, sorgt für Streit in der Koalition. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wies den Vorschlag gestern als "praktisch undurchführbar" zurück. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hatte zuvor erklärt, er rechne bis zur kommenden Woche mit einer Entscheidung über die Einführung von Transitzonen. Dort soll in schnellen Verfahren über die Asylgesuche entschieden und bei Ablehnung bereits von dort abgeschoben werden.
Auch die von der Bundesregierung geplanten Verschärfungen für Asylbewerber sorgen weiter für heftige Diskussionen in Regierungskreisen. Bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags zum Asylpaket der Bundesregierung ließen Experten gestern in Berlin vor allem Zweifel an den geplanten Einschränkungen bei den Sozialleistungen erkennen.
  Im Asylpaket, 
das noch in dieser Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet 
werden soll, ist festgelegt, dass "vollziehbar ausreisepflichtige" 
Ausländer, die aus eigener Schuld noch nicht das Land verlassen haben, 
keine Sozialleistungen mehr bekommen sollen. Nach Auffassung der Union 
wird damit ein Anreiz, nach Deutschland zu   kommen, beseitigt. 
Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen sollen zudem künftig kein 
Bargeld, sondern wieder vorrangig Sachleistungen erhalten.  
Asylkompromiss entzweit die Grünen
Bundestagsabgeordnete sind verärgert über Zugeständnisse Kretschmanns an die Union
Von Marina Kormbaki
Berlin. Die geplante Verschärfung des Asylrechts entzweit die Grünen. Während die Grünen in den Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung sowie die Parteispitze überwiegend hinter dem Gesetzespaket stehen, sieht ein großer Teil der Bundestagsfraktion darin ein zu großes Zugeständnis an die Union.
Das Gesetzespaket, das Ende der Woche Bundesrat und Bundestag passieren 
soll, sieht finanzielle Entlastungen für Länder und Kommunen durch den 
Bund vor, aber auch Leistungskürzungen für Flüchtlinge, den längeren 
Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen und die Ausweitung der 
"sicheren Herkunftsstaaten" im Westbalkan. Befürworter des 
Gesetzespakets wie der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried
 Kretschmann begründen ihre Zustimmung mit den Nöten der Gemeinden, die 
durch den Bund entlastet würden. Kretschmann war am Zustandekommen des 
Kompromisses beteiligt, er sprach von "sehr harten" Verhandlungen. Dies 
wird von Bundestagsgrünen allerdings bezweifelt: Zu schnell habe 
Kretschmann grüne Herzensanliegen geopfert. Mit offener Kritik hält man 
sich zurück, das Grummeln ist aber unüberhörbar. 
Volker Beck, innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, sieht in der 
Kostenbeteiligung des Bundes zwar einen "überfälligen Schritt". Die 
Einschränkungen bergen jedoch "erheblichen sozialen Sprengstoff": 
"Solche schwerwiegenden Eingriffe in die Rechte von Schutzsuchenden sind
 alles andere als eine menschenrechtsorientierte und 
integrationsfreundliche Politik", sagte Beck dem RedaktionsNetzwerk 
Deutschland, dem auch diese Zeitung angehört. 
Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sorgt sich um das 
Profil seiner Partei. "Die dreiste Erpressungsstrategie der Union - 
notwendige finanzielle Hilfe gegen massive Asylrechtsverschärfungen - 
stellt die grünen Länder vor ein schwieriges Dilemma. Ich mache mir 
Sorgen um die grüne Eigenständigkeit", sagte Kindler dem RND. "Wir Grüne
 müssen in den nächsten Monaten und Jahren in den Ländern und im Bund 
deutlich zeigen, dass wir für eine grundsätzlich andere 
Flüchtlingspolitik stehen als die Union."
Die Parteispitze verteidigt den Kompromiss. Ko-Chef Cem Özdemir spricht 
von einer "an der Wirklichkeit orientierte Politik im Interesse der 
Gesamtgesellschaft". Özdemir sagte dem RND: "Die Bürgermeister, die 
Hauptamtlichen und all die Ehrenamtlichen erwarten von uns bei der 
Bewältigung der Flüchtlingskrise verantwortungsvolles Handeln." 
Auch Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, 
wirbt für Verständnis: "Die derzeitige Situation erfordert einen breiten
 politischen Konsens beim Umgang mit Flüchtlingen." Laut Harms strahlt 
der Kompromiss europaweit aus: "Er markiert das Ende der Abschottung 
Deutschlands unter Verweis auf die Dublin-Regelung. Indem Deutschland 
Flüchtlinge aus Ungarn aufgenommen hat, ist es über die europäische 
Gesetzgebung hinausgegangen - es hat vorbildlich gehandelt." 
Streit um Transitzonen
Die Forderung der Union, Transitzonen für Flüchtlinge an der deutschen Grenze einzurichten, sorgt für Streit in der Koalition. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wies den Vorschlag am Montag als "praktisch undurchführbar" zurück. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hatte zuvor erklärt, er rechne bis zur kommenden Woche mit einer Entscheidung über die Einführung von Transitzonen. Dort soll in schnellen Verfahren über die Asylgesuche entschieden und bei Ablehnung bereits von dort abgeschoben werden.
Flüchtlingskoordinator Altmaier betonte, angesichts des 
Flüchtlingsandrangs dürfe keine Möglichkeit ausgeschlossen werden, die 
Asylverfahren zu beschleunigen. Dagegen sagte Justizminister Maas, 
"Zehntausende Flüchtlinge an der Grenze in Haft zu nehmen schafft mehr 
Probleme, als es löst". Wer Transitverfahren einfach von Flughäfen auf 
Landesgrenzen übertragen wolle, schaffe "Massenlager im Niemandsland", 
sagte der Justizminister. Nach den Worten von Maas wären das "keine 
Transitzonen, sondern Haftzonen".
