Kanzleramtsminister Peter Altmaier wird Koordinator - anstelle von Innenminister Thomas de Maizière
Von Marina Kormbaki
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel macht die Lösung der Flüchtlingskrise zur Chefsache. Merkel will die Koordinierung sämtlicher Maßnahmen zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen im Kanzleramt bündeln und die politische Leitung dafür direkt in ihrem Haus ansiedeln. Das erfuhr das RedaktionsNetzwerk Deutschland, dem auch diese Zeitung angehört, am Dienstagnachmittag aus Regierungskreisen.
Nach Informationen des RND wird Peter Altmaier, Chef des 
Bundeskanzleramts und Vertrauter Merkels, der neuen, 
ressortübergreifenden Arbeitsgruppe vorstehen. Die Runde soll die 
"politische Gesamtkoordination" über alle flüchtlingsrelevanten Fragen 
übernehmen - von der Verteilung der Menschen über ihre Unterbringung und
 Arbeitsmarktintegration bis hin zu sicherheitspolitischen Aspekten. Die
 "operative Umsetzung" der flüchtlingspolitischen Maßnahmen soll jedoch 
weiterhin dem Innenministerium obliegen, wo sich ein neuer 
"Lenkungsausschuss" auf Staatssekretärsebene mit organisatorischen, 
rechtlichen und finanziellen Fragen befassen wird. Zudem soll der Stand 
der Dinge beim Thema Flüchtlinge ständiger Tagesordnungspunkt bei 
Kabinettssitzungen sein. Den entsprechenden Beschluss wird die 
Bundesregierung heute in ihrer Kabinettssitzung treffen.
Dass nun das Kanzleramt bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise die 
Federführung übernimmt, wird im politischen Berlin als Seitenhieb gegen 
Bundesinnenminister Thomas de Maizière gewertet, wies doch das 
Verhältnis zwischen de Maizière und Merkel zuletzt wiederholt Spannungen
 auf. Oft prallten Merkels demonstrative Großzügigkeit gegenüber 
Flüchtlingen und die Bedenken ihres Innenministers aneinander. So regte 
deMaiziere Strafzahlungen für EU-Länder an, die sich der Aufnahme von 
Flüchtlingen verweigern - woraufhin die Kanzlerin wissen ließ, dass sie 
von derlei Drohungen nichts halte. Und während Merkel Zehntausende 
Flüchtlinge im September einreisen ließ, sprach das Innenministerium 
hier wiederholt von "Fehlanreizen" und äußerte sicherheitspolitische 
Bedenken.
Die Linke im Bundestag begrüßt den Schritt des Kanzleramts: "Die 
Entscheidung der Kanzlerin, in der Flüchtlingshilfe die Federführung zu 
übernehmen, kommt zwar spät, aber sie ist vollkommen logisch und 
richtig", sagte LinkenFraktionsvize Jan Korte dem RND. "Wenn mit Thomas 
de Maizière der eigentlich zuständige Minister nicht nur völlig versagt,
 sondern sich im Prinzip auch weigert, die Linie der Kanzlerin 
durchzusetzen, dann muss die Chefin in der drängendsten innenpolitischen
 Aufgabe selbst übernehmen." 
Die Interpretation, wonach die Einrichtung einer neuen Stelle zur 
Bewältigung der Flüchtlingskrise im Kanzleramt eine Schwächung, gar 
Entmachtung des in dieser Frage bisher glücklosen Innenministers 
bedeute, wird in Regierungskreisen zurückgewiesen. "Im Gegenteil", heißt
 es dort; "die Zusammenarbeit zwischen den Ministerien wird dadurch 
strukturell verbessert." 
Schwesig fordert: Frauen und Kinder zuerst!
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig erwartet bei den Flüchtlingen in Deutschland einen starken Familiennachzug. "Wir rechnen damit, dass sehr viele Frauen und Kinder nachkommen", sagte die SPD-Politikerin der Funke-Mediengruppe. Zu Wochenbeginn hatten Spekulationen über bis zu 1,5 Millionen Asylbewerber in diesem Jahr für Wirbel gesorgt. Die offizielle Prognose lautet bislang, dass in diesem Jahr etwa 800000 Asylbewerber nach Deutschland kommen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plant keine neue Vorhersage zur Zahl der Flüchtlinge in Deutschland. Jede neue Prognose "würde von Schleppern als Einladung interpretiert", sagt er. Schwesig forderte, bei allen Maßnahmen zum Schutz, zur Versorgung und zur Integration der neuen Flüchtlinge müssten Frauen und Kinder absoluten Vorrang haben. Die Rechte von Frauen und Minderheiten müssten von den Zuwanderern anerkannt werden.
