NSU-Prozess in München nähert sich dem Ende / Spekulationen über Strafmaß
VON CHRISTOPH LEMMER
 München. Wird es jetzt eng für Beate 
Zschäpe? Volle 14 Mal teilte das Gericht ihr in der abgelaufenen Woche 
verklausuliert mit, dass sie mit einem harten Urteil rechnen muss. 
"Volle Kanne", wie ein Prozessbeteiligter am Rande einschätzte. Das 
hieße: Eine hohe Haftstrafe für die zehn NSU-Morde, möglicherweise 
lebenslänglich, vielleicht sogar mit Sicherungsverwahrung. 
 Deutlich
 wurde das am selben Prozesstag, an dem das Gericht die Affäre um die 
nicht existierende Nebenklägerin "Meral Keskin" ins Rollen brachte. 
Richter Manfred Götzl setzte Nebenklage-Anwalt Ralph Willms aus 
Eschweiler mit bohrenden Nachfragen über den Aufenthalt seiner Mandantin
 unter Druck, die angeblich zu den Geschädigten des Bombenanschlags an 
der Kölner Keupstraße gehörte. Wenige Tage später ließ Willms, 
inzwischen selber anwaltlich vertreten, erklären, die Mandantin 
existiere wohl nicht und er selber sei Opfer einer Täuschung geworden. 
Zu den offenen Fragen gehört, warum er das erst nach zweieinhalb Jahren 
und mehr als 230 Verhandlungstagen bemerkte. 
 Am selben Tag begann 
das Gericht aber auch damit, reihenweise Beweisanträge abzulehnen. Am 
Ende der letzten Verhandlungswoche waren es 14 Anträge, von denen der 
älteste schon vor zwei Jahren gestellt worden war. Die Begründung war 
immer dieselbe: Man brauche diese Beweise nicht mehr für die 
"Entscheidungsfindung".
 Da ging es etwa um die Herkunft zweier 
Tatwaffen. Ein Dortmunder Neonazi habe sich damit gebrüstet, er wisse, 
dass die Pistolen über Szene-Kanäle aus Belgien eingeschmuggelt worden 
seien. Diesen Mann wollten mehrere Nebenkläger als Zeugen laden lassen. 
Das Gericht lehnte auch das ab, obwohl bei fast allen Tatwaffen 
ungeklärt ist, woher sie stammen. Für das Urteil gegen Zschäpe sei das 
nicht mehr von Belang, gab der Richter zu verstehen.
 Das war schon 
für sich genommen bemerkenswert. Zahlreiche Prozessbeteiligte werteten 
Götzls Begründung als Anzeichen dafür, dass das Strafmaß mehr oder 
weniger feststehe. Bemerkenswert war aber auch, wie Zschäpe darauf 
reagierte - nämlich gar nicht. Dabei hätte sie mit einem 
Befangenheitsantrag kontern können, sagen Juristen, die an dem Prozess 
teilnehmen. Sie hätte dem Gericht vorwerfen können, es habe sein Urteil 
schon heimlich gefällt, obwohl die Beweisaufnahme noch gar nicht beendet
 ist.  
 Überwiegend einig sind sich die Prozessbeteiligten, dass das
 Gericht mit der Ablehnung der Beweisanträge auch das Ende des 
NSU-Prozesses eingeläutet habe. Nächstes Frühjahr, so spekulieren 
manche, könnte das Urteil gesprochen werden. Bis dahin könnten die 
letzten, bereits geplanten Zeugen gehört und Beweismittel gesichtet 
sein.
