CDU-Generalsekretär Kretschmer spricht von "Bodensatz an Rechtsextremen"
Von Jürgen Kochinke und Anita Kecke
 Dresden/Leipzig. Sachsen hat nach Ansicht von SPD-Landeschef und 
Wirtschaftsminister  Martin Dulig ein massives Problem mit Rassismus. 
"Wir dürfen nicht zulassen, dass das verharmlost wird", sagte der 
stellvertretende Ministerpräsident gestern dem Sender MDR Info. Er frage
 sich, warum Menschen sich berechtigt fühlen, andere Menschen 
anzugreifen und verwies auf eine Attacke auf Helfer des Technischen 
Hilfswerkes in einer Flüchtlingsunterkunft in Niederau bei Meißen am 
Wochenende. "Das finde ich inakzeptabel, und das ist beschämend für 
unser Land."
  Ex-Regierungschef Kurt Biedenkopf hatte vorige Woche in einem 
LVZ-Interview gesagt, die große Mehrheit der Sachsen sei immun gegen 
Rechtsextremismus. Und: Überwiegend seien es Westdeutsche, die den 
Rechtsextremismus in den Osten bringen. Für Dulig ist das eine Art 
Verharmlosung. Erkennbar seien in Sachsen "nicht nur Einzeltäter am 
Werk", auch sei das keineswegs nur ein lokal begrenztes Problem.
 Für Dulig stellt Rassismus eine "fatale Zukunftsbarriere" dar. "Er 
gefährdet nicht nur das Mitmenschliche, sondern auch den 
Wirtschaftsstandort Sachsen." Nur ein vielfältiges, kulturell offenes 
Land werde eine gute Zukunft haben. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael
 Kretschmer verteidigt Biedenkopf: "Er ist ein sehr kluger und 
erfahrener Mensch", sagte er. "Man beleidigt ihn, wenn man ihm 
unterstellte, dass er den Rechtsextremismus unterschätzt." Vielmehr habe
 Biedenkopf in dieser Sache "seine ganze Autorität" in die Waagschale 
geschmissen. "Damit hat er für alle im Freistaat ein Zeichen gesetzt." 
Für Kretschmer stehe "außer Frage", dass es in Sachsen einen Bodensatz 
an Rechtsextremen gibt. 
Für DGB und Grüne geht die CDU-Lesart an der Problemlage vorbei. 
"Sachsen hat vor allem ein Problem, sich dem allgegenwärtigen Rassismus 
zu stellen und durch klare Positionierungen eine Grenze zu ziehen", 
sagte DGB-Landeschefin Iris Kloppich. "Neonazis zu verharmlosen und als 
Übergangsphänomen darzustellen, hat die Szene erst gestärkt." Der 
Fraktionschef der Grünen, Volkmar Zschocke, meint: "Sachsen hat seit 
Jahrzehnten ein Problem mit Rassismus, das nun wieder offensichtlich 
geworden ist. Doch anstatt sich diesem Problem zu stellen, pflegte die 
sächsische Staatspartei CDU lieber fragwürdige Diskurse über 
Patriotismus, Sachsenstolz und nationale Identität." 
Gestern wurde bekannt, dass die Familie des Sprechers "Dresden für 
Alle", Eric Hattke, am Wochenende massiv bedroht worden ist. Per Telefon
 hätten die Täter gesagt, sie würden den Aufenthalt seiner Familie und 
auch von ihm selbst kennen. Er solle aufhören "sich für Ausländer 
einzusetzen", sonst würde er "platt gemacht". Als Drohung sei gefallen: 
"Wir schießen durch die Fenster." Am Wochenende war auch das Bürgerbüro 
von Dulig mit Pflastersteinen attackiert worden.
Von den Sachsen selbst sind nur 29 Prozent der Meinung, dass die 
Ausländerfeindlichkeit in ihrem Bundesland größer ist als im übrigen 
Bundesgebiet. Deutschlandweit ist der Blick auf Sachsen aber wesentlich 
kritischer. Mehr als jeder zweite Bundesbürger (53 Prozent) hält die 
Sachsen für besonders ausländerfeindlich. Das ergab eine LVZ-Umfrage, 
die in der vergangenen Woche veröffentlich wurde. Dafür hatte das 
Leipziger Institut Uniqma Mitte September 1351 Erwachsene aus ganz 
Deutschland befragt. 
Laut dieser Umfrage haben die Sachsen deutlich mehr Vorbehalte gegen 
Flüchtlinge als der Bundesdurchschnitt. Ein großer Teil von 39 Prozent 
vertritt die Ansicht: "Das Boot ist voll." Nur 32 Prozent widersprechen 
diesem Standpunkt. Bundesweit sind nur 29 Prozent der Meinung, das Boot 
sei voll. 41 Prozent widersprechen diesem Standpunkt.
