Bund und Länder verständigen sich auf Geld, Mitarbeiter, bessere Regeln
Von Christiane Jacke und Alexander Dahl
Berlin. Der Bund stützt die Länder bei der Versorgung der Flüchtlinge - und zwar viel stärker als bisher geplant. Das ist das Ergebnis eines mehrstündigen Bund-Länder-Gipfeltreffens am Donnerstag im Kanzleramt. Die Finanzzusagen des Bundes für dieses und nächstes Jahr werden um zwei Milliarden erhöht, ab 2017 überweist der Bund den Ländern eine Kopfpauschale je Flüchtling. Damit haben sich die Ministerpräsidenten in wesentlichen Punkten durchgesetzt. Die Beschlüsse im einzelnen:
Hilfen für Länder: Für die Unterbringung der Flüchtlinge sind die
 Länder zuständig - doch sie wirken überfordert. Eigentlich wollte der 
Bund den Ländern in diesem Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich 
überweisen, im kommenden Jahr drei Milliarden Euro zusätzlich. Mehrere 
Ministerpräsidenten klagten in den vergangenen Tagen, dass diese Summen 
nicht reichten. Nun bewegt sich Kanzlerin Angela Merkel: Der Betrag für 
2015 wird von einer auf zwei Milliarden erhöht, der Betrag für das 
nächste Jahr von drei auf vier Milliarden. Die Länder wollten aber eine 
feste Zusage, dass der Bund ihnen dauerhaft unter die Arme greift. Dies 
soll nun geschehen, der Bund will je Flüchtling und Monat den Ländern 
670 Euro geben. Die Ursprungsforderungen der Länder seien 
"unrealistisch" gewesen, sagte SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas 
Oppermann auf dem Flurfest des Hauptstadtbüros des RedaktionsNetzwerks 
Deutschland. Wolfgang Kubicki, FDP-Bundesvize, ergänzte: "Egal, was da 
im Kanzleramt beschlossen wurde, es wird den Marsch Hunderttausender 
Flüchtlinge nach Westeuropa nicht aufhalten.
Verteilungsprobleme: Die Flüchtlinge sollen, sofern sie die 
Erstaufnahme hinter sich haben und registriert sind, auf die Länder 
verteilt werden. Dazu gilt der "Königsteiner Schlüssel", ein Maßstab, 
der sich an der Einwohnerzahl und Steuerkraft orientiert. Bayern müsste 
demnach 15 Prozent nehmen, NRW 21 Prozent, Niedersachsen 9,3 Prozent, 
Sachsen 5 Prozent, Brandenburg 3 Prozent, Schleswig-Holstein 3,3 Prozent
 und Mecklenburg-Vorpommern 2,6 Prozent. Tatsächlich hat der 
Flüchtlingsansturm der vergangenen Tage eine geordnete Verteilung 
unmöglich gemacht. Bayern, das Land, in dem die meisten Flüchtlinge 
ankommen, klärt ihre Weiterreise bilateral mit Nachbarländern, 
beispielsweise mit NRW. Viele Länder forderten, dass der Bund verstärkt 
Erstaufnahmelager bereitstellen und betreiben soll. Dort sollten sich 
dann Asylbewerber vom Balkan aufhalten, deren Antrag vermutlich nicht 
angenommen wird. Mit mehr Erstaufnahmelagern könne verhindert werden, 
dass diese Menschen früh auf die Kommunen verteilt werden und dann unter
 erschwerten Bedingungen abgeschoben werden können. Der Bund sagt zu, 
diese Lager zu betreiben und für die spätere Weiterleitung der 
Flüchtlinge zu sorgen.
Sichere Herkunftsländer: Nach Serbien, Bosnien und Mazedonien, 
die 2014 in die Liste der sicheren Staaten aufgenommen werden, sollen 
nun auch Albanien, Kosovo und Montenegro hinzukommen. Der Titel 
"sicherer Herkunftsstaat" bedeutet, dass Asylverfahren beschleunigt 
ablaufen, da in der Regel bei Menschen von dort keine politische 
Verfolgung attestiert wird. Allerdings: Der Bundesrat muss der 
Betitelung zustimmen, dort auch einige Länder, in denen die Grünen 
mitregieren. Die Grünen sind in dieser Sachfrage allerdings nicht einig:
 Parteichefin Simone Peter und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt 
lehnten den Schritt gestern ab. Göring-Eckardt sagte, dieser Weg sei ein
 Griff in "die Mottenkiste der Abschottungspolitik". Der 
Grünen-Politiker und Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried 
Kretschmann, beurteilt die Frage anders. Er deutete gestern die 
Zustimmung seines Landes zur einer neuen Behandlung von 
Asyl-Antragstellern aus den drei Balkanstaaten an - wenn Deutschland 
gleichzeitig Arbeitssuchenden vom Balkan mehr Möglichkeiten eröffne, in 
Deutschland einen Job oder einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Hier 
zeigte die Bundesregierung beim Bund-Länder-Gipfel Bereitschaft zum 
Entgegenkommen.
Schnellere Verfahren: Damit der Antragsstau im Bundesamt für Migration beseitigt wird, wo derzeit 250000 Asylanträge unerledigt sind, braucht der neue Präsident, Frank-Jürgen Weise, 3000 zusätzliche Mitarbeiter.
Sachleistungen: Lange wurde um die Frage gerungen, ob Flüchtlinge
 in den Erstaufnahmelagern Sach- statt Geldleistungen bekommen sollen. 
Umstritten ist auch, ob Asylbewerber, deren Anträge bereits abgelehnt 
worden sind, gekürzte staatliche Leistungen akzeptieren sollen. Dies 
wäre ein Mittel, ihnen die Rückkehr in die Heimat zu ebnen.
