Umfrage: Menschen im Freistaat sehen sich selbst weltoffen und tolerant - bundesweit ist der Blick kritischer
Von Anita Kecke
 Leipzig. Auch wenn oft von Sachsen aus Bilder und Schlagzeilen von 
ausländerfeindlichen Krawallmachern in die Welt gehen: Das ist nicht die
 Mehrheit im Freistaat. Zwei Drittel der Sachsen sind für die Aufnahme 
von Flüchtlingen. Diese Bereitschaft steigt mit dem Alter. So heißen 63 
Prozent der 18- bis 29-Jährigen die Hilfesuchenden willkommen, von den 
über 65-Jährigen sind es 71 Prozent. Frauen äußern sich gastfreundlicher
 als Männer. Höhergebildete sind eher bereit, die Tür zu öffnen, als 
Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen. 
 Allerdings: So offen sich die Mehrheit der Freistaatler hier auch 
zeigt, in Deutschland sind die Sachsen das Schlusslicht in Sachen 
Aufnahmebereitschaft. Bundesweit unterstützen vier von fünf Befragten 
(78 Prozent) die Aufnahme von Flüchtlingen, in den alten Bundesländern 
plädieren 79 Prozent dafür, und in den neuen - außer Sachsen - sind es 
mit 75 Prozent ebenfalls deutlich mehr.
Und zum kompletten Bild gehört auch, dass fast jeder Vierte in Sachsen 
(23 Prozent) gegen die Aufnahme von Asylsuchenden ist. Das ist 
bundesweit die höchste Ablehnungsquote. Deutschlandweit wollen 16 
Prozent keine Asylbewerber ins Land lassen. In den alten Bundesländern 
sind es 15 Prozent, im Osten - außer Sachsen - 17 Prozent. 
Das gehört zu den Resultaten der umfangreichen Befragung Sachsen-Image 
2015, die die drei sächsischen Tageszeitungen Leipziger Volkszeitung, 
Sächsische Zeitung und Freie Presse gemeinsam in Auftrag gegeben haben. 
Dafür befragte das Leipziger Institut Uniqma vom 9. bis 15. September 
bundesweit 1351 repräsentativ ausgewählte Erwachsene, darunter 514 aus 
Sachsen. Für die deutschlandweiten Aussagen wurden die Resultate aus 
West und Ost, einschließlich Sachsen, entsprechend dem 
Bevölkerungsanteil gewichtet. 
Eine der Fragestellungen war: Wie werden die Sachsen gesehen, und wie 
sehen sie sich selbst? Zusammenfassend sagt dazu der Leiter der Studie 
und Chef des Uniqma-Institutes, Andreas Czaplicki: "Wenn man sich die 
Einschätzungen der Ost- und Westdeutschen zu Sachsen ansieht, hat man 
nicht den Eindruck, dass alle hier vom gleichen Bundesland sprechen. Die
 Westdeutschen sind mehrheitlich der Ansicht, in Sachsen sei die 
Ausländerfeindlichkeit größer als anderswo. Die Ostdeutschen sehen 
Sachsen hier weit weniger in einer Sonderrolle." 
Die Sachsen selbst finden mehrheitlich, dass es in ihrem Freistaat keine
 größere Ausländerfeindlichkeit gibt als anderswo in Deutschland. Nur 29
 Prozent, darunter überproportional viele junge Leute, sagen, dass unter
 ihren Landsleuten mehr Vorbehalte und Hass gegen Fremde verbreitet sind
 als in anderen Bundesländern. In Westdeutschland ist der Blick auf 
Sachsen wesentlich kritischer. 57 Prozent finden, die Menschen im 
Freistaat seien besonders fremdenfeindlich. In den anderen neuen 
Bundesländern - außer Sachsen - sagen dies 31 Prozent. Da sind die 
Unterschiede zu den Sachsen nicht so groß. Deutschlandweit aber verpasst
 mehr als jeder Zweite (54 Prozent, ohne Sachsen) den Bürgern im 
Freistaat das Etikett "besonders ausländerfeindlich". 
Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) kann diese bundesweit 
dominierende Auffassung nicht teilen. "Die Sachsen sind ein Stück weit 
konservativer als andere, aber nicht ausländerfeindlicher als die 
Menschen in anderen Bundesländern", sagte er der LVZ. Er sei hier 
aufgewachsen und habe die Menschen in Sachsen als weltoffen 
kennengelernt, die mit Interesse über den Tellerrand schauten, fügte der
 37-Jährige hinzu. Damit vertritt Gemkow die Meinung der Mehrheit der 
Sachsen, die zu 55 Prozent keine Unterschiede zum übrigen Deutschland 
sehen.
Allerdings hat die Umfrage sehr deutlich gemacht, dass bei den Sachsen 
Selbst- und Fremdbild oft weit auseinander gehen. So hält sich eine 
große Mehrheit der Freistaatler (58 Prozent) für tolerant und weltoffen.
 Bundesweit haben die Bürger ein ganz anderes Bild von den Sachsen. Für 
weltoffen und tolerant hält sie nur jeder Vierte (25 Prozent). Nimmt man
 nur die Westdeutschen, dann bleibt vom weltoffenen Sachsen noch weniger
 übrig. Denn in den alten Bundesländern verbindet nur gut jeder Fünfte 
(22 Prozent) die Attribute weltoffen und tolerant mit Sachsen.
Ganz anders wiederum schätzen die anderen Ostdeutschen die Sachsen ein. 
Für die Menschen in Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt oder 
Mecklenburg-Vorpommern sind die Sachsen fast so, wie diese sich selbst 
sehen: Jeder Zweite findet, dass die Sachsen sich großzügig der Welt 
öffnen. 
Interessant ist bei dieser Frage die Altersdifferenzierung. So sind die 
jungen Leute im Westen ziemlich schlecht auf die Sachsen zu sprechen. 
Nur 16 Prozent der 18- bis 29-Jährigen im Westen halten die Sachsen für 
weltoffen, sehen die Freistaatler also eher als weltfremd und engstirnig
 an. Erst bei den über 65-Jährigen im Westen wird das Bild von Sachsen 
deutlich besser.
Die Sachsen verstehen eine solche Skepsis ihnen gegenüber gar nicht, 
denn sie halten sich zu drei Viertel für gastfreundlich und 
reisefreudig, also keineswegs für abgeschottet und zugeknöpft. Doch die 
Sachsen haben offensichtlich ein beachtliches Image-Problem in 
Deutschland. Denn im übrigen Bundesgebiet findet nur jeder Dritte die 
Sachsen gastfreundlich.
Nur der sprichwörtliche Stolz der Sachsen, der wird auch bundesweit 
gesehen. Allerdings gibt es auch Verblüffendes: Während immerhin vier 
von zehn befragten Sachsen einräumen, dass die Menschen im Freistaat 
sehr konservativ sind und sich schwer auf Neues einstellen, sehen das 
bundesweit nur drei von zehn Befragten so.
