Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) über neue Richterstellen und schnellere Asylverfahren
Leipzig. Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (37, CDU) sieht
 durch steigende Flüchtlingszahlen neue Herausforderungen auf Gerichte 
zukommen. Beim LVZ-Redaktionsgespräch äußert er sich zu den Folgen für 
Sachsen.
  
 Der dramatische Anstieg bei den Flüchtlingszahlen sorgt in 
sächsischen Verwaltungsgerichten für eine vielfach erhöhte 
Arbeitsbelastung. Die Zahl der Asylverfahren steigt sprunghaft. Wie 
wollen Sie gegensteuern?
 
 Wir haben im Juli 20 Richterstellen zusätzlich für die drei 
Verwaltungsgerichte in Leipzig, Dresden und Chemnitz beantragt, dazu 
noch sechs Beamte für die Geschäftsstellen. Das haben wir von 
Finanzminister Georg Unland und dem Landtag im Juli genehmigt bekommen. 
 Wie sind diese Stellen verteilt?
 
 Das ist abhängig vom Personalbedarf, aber jedes Verwaltungsgericht 
erhält neue Mitarbeiter, um die anhängigen Asylverfahren so schnell wie 
möglich abzuarbeiten.
 Wann nehmen die neuen Richter ihre Arbeit auf?
 
 Die erste Hälfte startet jetzt im Oktober, die zweite Hälfte zum 1. Januar 2016.  
 Die Belastung der Verwaltungsgerichte bei Asylverfahren ist ja vor 
allem abhängig von Einsprüchen gegen eine Abschiebung. Wie ist die Quote
 im Freistaat?
 
 Gegen 48 Prozent der Entscheidungen gehen Asylbewerber in Rechtsmittel, fast jede zweite Entscheidung wird also beklagt. 
 Wie lange dauert aktuell und im Durchschnitt ein gerichtliches Asylverfahren in Sachsen?
 Ein normales Hauptsacheverfahren läuft jetzt über etwa neun Monate, im 
Eilverfahren ist es mittlerweile durchschnittlich nur noch knapp über 
ein Monat. 
 Wird sich das mit den zusätzlichen Richterstellen beschleunigen? Von
 einer möglichst schnellen Rückführung abgelehnter Asylbewerber hängt ja
 auch die Gesamtakzeptanz des Flüchtlingsthemas in der Bevölkerung ab.
 Wir gehen davon aus, dass wir damit effektiver werden. Es ist wichtig, 
rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten. Das betrifft das Asylverfahren 
genauso wie das Rückführungsverfahren. All das wird man beschleunigen 
müssen, um die gegenwärtig angespannte Situation in den Griff zu 
bekommen. 
 Bei den Richterstellen können Sie aufstocken, bei den 
Justizvollzugsbeamten gibt es weiter massive Lücken. Bewegt sich da 
etwas?
 Die Nachsteuerung im Strafvollzug ist ein großer Brocken für den 
nächsten Haushalt. Wir brauchen zum Beispiel auch Dolmetscher, das ist 
jetzt schon abzusehen. Aktuell lösen wir das zum Teil mit Ehrenamtlichen
 im Strafvollzug, aber das ist natürlich keine Dauerlösung.
 Werden durch die aktuelle Flüchtlingsentwicklung künftig auch mehr Haftplätze in Sachsen benötigt? 
 Momentan sehe ich diese Entwicklung noch nicht, aber es könnte mit 
gewisser Verzögerung so eintreten. Der gegenwärtige Häftlingsbestand hat
 allerdings auch schon eine gewisse Aussagekraft. 
 Inwiefern?
 Der Anteil ausländischer Gefangener in den sächsischen Gefängnissen ist
 zuletzt gestiegen, wenn auch noch nicht auf den Stand wie Ende der 
90er-Jahre. Das stellt uns vor neue Herausforderungen, so müssen 
beispielsweise kulturelle Besonderheiten auch im Strafvollzug 
berücksichtigt werden.
 Das Flüchtlingsmanagement hat der sächsischen Landesregierung viel 
Kritik eingebracht. Inzwischen hat der Ministerpräsident klare Worte 
gefunden. Reicht das aus, um rassistischen Strömungen in Sachsen nicht 
das Feld zu überlassen? 
 Die aktuelle Situation erzeugt in der Bevölkerung viele diffuse Ängste.
 Viele haben das Gefühl, dieser Entwicklung wenig entgegensetzen zu 
können. Deshalb ist es wichtig, dass der Rechtsstaat deutlich macht, 
dass er funktioniert. Wir sorgen für die Sicherheit - diese Botschaft 
müssen wir aussenden. Die Menschen sollen sich nicht alleingelassen 
fühlen. Sie dürfen nicht das Gefühl bekommen, dass ein 
Sicherheitsproblem entsteht. Der Staat muss verdeutlichen, dass er für 
Stabilität in der Gesellschaft sorgt. Da stehen wir alle für Sachsen in 
der Pflicht.
 Viele Menschen werden Sie wohl gar nicht mehr erreichen, die bewegen
 sich ohnehin schon an den extremistischen Rändern aller Couleur.
 Man muss aber versuchen, die Menschen, die aus Ängsten heraus handeln, 
denjenigen zu entreißen, die aus einer vorgeprägten Ideologie heraus von
 Ängsten profitieren wollen. 
 Das klingt wie eine Warnung vor dem Zugriff der AfD.
 Was nicht passieren darf ist, dass einige Parteien das Thema innere 
Sicherheit in ihrer speziellen Art und Weise besetzen. Da wird 
suggeriert, dass andere Parteien nicht handlungsfähig auf dem Gebiet 
sind. Christlich demokratische Politik muss ihren Markenkern deutlich 
betonen und das spiegelt sich in der Politik der Landesregierung wider. 
Es gibt Neueinstellungen bei der Polizei und bei der Justiz wird 
nachgesteuert. Die innere Sicherheit in Sachsen ist ein Schwerpunkt, 
daran lassen wir keinen Zweifel.
 Und der für seine Sparsamkeit bekannte Finanzminister macht da klaglos mit?
 Es gibt natürlich immer Auseinandersetzungen um die Mittel, die zur 
Verfügung stehen. Letzten Endes gibt es aber bei allen Mitgliedern der 
Landesregierung die Überzeugung, dass gehandelt werden muss und dies 
nicht zu Lasten bestehender Aufgaben gehen darf. Das ist ein wichtiges 
Signal nach außen. 
 Warum ist das Signal so existenziell? 
 Es darf nicht so sein, dass sich Gerichtsverfahren von Bürgern 
verlängern, um Asylverfahren zügig durchzuführen. Wir müssen 
verdeutlichen, dass die zusätzlichen Aufgaben auch mit zusätzlichen 
Kräften gestemmt werden. Das hilft, in der Bevölkerung Ängste abzubauen.
  Interview:  Jan Emendörfer,  André Böhmer, Anita Kecke
