Einwohner machen ihrem Ärger über Asylbewerberunterkunft Luft
VON OLAF BARTH
 Dölzig. Der Schkeuditzer Ortsteil Dölzig 
bekommt im Gewerbegebiet Westringstraße einen  Polizeiposten sowie 
zusätzliche Streifen. Das kündigte am Montagabend Bernd Merbitz, 
Präsident der Polizeidirektion Leipzig, während einer von der 
Landesdirektion Sachsen (LDS)  anberaumten Informationsveranstaltung an.
 Bereits heute sollen diese Maßnahmen greifen, versprach er. Damit 
reagierte Merbitz auf die Situation in dem  Gewerbegebiet und  die 
vehement vorgetragenen Ängste der Einwohner um ihre Sicherheit. "Wir 
nehmen Ihre Sorgen sehr ernst, wir sind für Sie da", sagte Merbitz. 
Einwohner schilderten an dem Abend in der Diskothek "Sax" ihre Sorgen 
und Ängste und kritisierten massiv die Standortentscheidung sowie 
Informationspolitik des Freistaates. 
 Wie berichtet, wurde in dem 
Gewerbegebiet am Freitag in einem vom Freistaat gekauften und 
größtenteils leer stehenden Bürokomplex eine Erstaufnahmeeinrichtung für
 vorerst 150 Asylbewerber und Flüchtlinge als Notunterkunft  in Betrieb 
genommen. Maximal 700 sollen es laut Aussagen der Verantwortlichen nach 
weiteren Ausbaustufen werden. Damit zählt der 1800 Einwohner zählende 
Ort zu den fünf größten Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen, wie auf 
Nachfrage einer Bürgerin Walter Bürkel von der LDS informierte. 30 
solche Einrichtungen gebe es bist jetzt insgesamt im Freistaat. 
Betreiber der Dölziger Einrichtung ist der Malteser Hilfsdienst, für ihn
 beantwortete Betty Brauer die Fragen der Einwohner. Außerdem im Podium:
 Gerlind Berndt vom    Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und 
Baumanagement (SIB). Moderiert wurde die Veranstaltung vom Dresdner 
Medienexperten Peter Stawowy. Er bat alle von Anfang an darum, die 
Mikrofone zu nutzen und sich gegenseitig aussprechen zu lassen. Meistens
 klappte es.
 Angst vor Überfremdung, Angst um Frauen und um die 
Kinder, die nun nicht mehr allein auf die Straße könnten, Angst um das 
persönliche Eigentum waren mehrfach Inhalte von teils sehr emotional, 
teils sehr resolut unter dem Beifall einens großen Teils der Zuhörer 
vorgetragenen Fragen. Ob man nicht eine nächtliche Ausgangssperre für 
die Asylbewerber einführen könne und wieso die Kinder auf ihrem Weg zur 
Schule mit den Ausländern in einem Bus fahren müssten. Bemerkungen, die 
manchen Dölziger in den hinteren Reihen beschämt den Kopf schütteln 
ließen. "Weil es auch Menschen sind", rief ein junger Mann, aber nicht 
laut genug. Eine Frau trat ans Mikrofon und erinnerte daran, nicht zu 
vergessen, was diese Flüchtlinge durchgemacht haben. Ihr würde bei 
manchen der Wortmeldungen und der  diffusen Ängste übel werden. Sie 
erntete Beifall, aber noch mehr Buh-Rufe und Hohngelächter.
 Viele, 
oft sehr persönlich gehaltene Wortmeldungen, die vor so großem Publikum 
sichtbar nicht jedem leicht fielen, drückten Sorgen aus, wie sich diese 
Einrichtung künftig auf das Leben in dem 1800 Einwohner zählenden Dorf 
auswirken könnte. Ein älterer Herr sprach von einem kurz vor dem Vollzug
 stehenden Verkauf seines Hauses. Jetzt wolle der Interessent nur noch 
40 Prozent des ursprünglichen Preises zahlen. Auf eine Entschädigung 
machte der LDS-Vertreter keine Hoffnung. Damit darf wohl auch der 
Hotelbetreiber des Leipzig West nicht rechnen. Sein Hotel mit 15 
Angestellten liegt nun genau zwischen der vom Landkreis Nordsachsen bald
 eröffneten Asylbewerberunterkunft und der vom Freistaat jetzt in 
Betrieb genommenen Erstaufnahmeeinrichtung. "Die Buchungen gehen zurück.
 Wir kämpfen um jeden Hotelgast, aber in den Internetportalen gibt es 
Bewertungen, die Gäste gehen woanders hin. Wer zahlt für die Ausfälle? 
Wie soll ein Hotel zwischen zwei solchen Einrichtungen funktionieren?", 
fragte fast schon verzweifelnd der Betreiber. Bürkel verwies auf die 
Gesetzeslage, die jetzt so eine Einrichtung an der Stelle erlaube. Er 
gab zu, dass das zu Härten führe. "Es ist also rechtlich zulässig, mich 
in die Pleite zu treiben?", merkte der Hotelier an und  winkte 
enttäuscht ab.
  Auf Nachfrage informierte Betty   Brauer: "110 
Syrer, meist Familien mit Kindern, zwei serbische Familien sowie 
Asylbewerber aus Iran, Irak und Pakistan sind eingezogen.". Und weshalb 
die Info-Veranstaltung nicht eher stattfand, begründete Bürkel mit 
Problemen bei der Organisation der Veranstaltung. Die 
Informationspolitik des Freistaates wurde noch einmal herb von der 
Dölziger Ortschaftsrätin Katrin Sachsenröder kritisiert. Dass die 
Ortschaftsräte von den Plänen für diese Einrichtung genauso wenig 
wussten wie alle anderen, bestätigte Oberbürgermeister Jörg Enke, der  
von den Behörden keine Informationen erhalten hatte und erst durch einen
 vertraulichen Anruf von den Vorgängen erfuhr. Sachsenröder wollte von 
der SIB-Vetreterin zudem wissen, seit wann genau diese Immobilie im 
Blick des Freistaates war. Berndt sagte, dass sie das gerade nicht 
wisse, da aufgrund der aktuellen Flüchtlingslage und der intensiven 
Suche nach Objekten vieles parallel laufe. Nach zweieinhalb Stunden 
beendete der Moderator die Veranstaltung und ließ die zuletzt gestellte 
Frage, "weil es eine berechtigte Frage ist", einfach im Raum stehen: 
"Warum ist keiner von den großen Politikern heute hier?"
