Minister: Jeder vierte angeblich syrische Flüchtling stammt aus anderem Land / Flucht aus Sonderzügen
Von Jörg Köpke und Marina Kormbaki
Berlin. Nicht alle Menschen, die über Ungarn und Österreich als Asylsuchende nach Deutschland kommen und sich als Syrer ausgeben, sind tatsächlich Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Immer wieder hatten Helfer in den vergangenen Tagen Zweifel geäußert und erklärt, dass eine große Anzahl der Einreisenden falsche Angaben zu ihrer Herkunft macht. Jetzt bestätigt erstmals Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) diese Beobachtungen: "Mindestens ein Viertel der angeblich aus Syrien kommenden Flüchtlinge stammt nicht aus Syrien, sondern aus anderen arabischen oder afrikanischen Ländern", sagte Caffier, der auch dem Verteidigungsausschuss des Bundesrates vorsitzt, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dem diese Zeitung angehört.
Caffiers Aussage deckt sich mit Angaben von Rainer Wendt, 
Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft  (DPolG): "Fast 
ausnahmslos jeder Flüchtling gibt vor, Syrer zu sein. Tatsächlich kommen
 viele aus allen möglichen  Ländern, selbst aus Schwarzafrika." Falsche 
Identitätsangaben seien "an der Tagesordnung". Wer Geld habe, lege 
gefälschte Pässe vor. Andere gäben an, keine Ausweispapiere mehr zu 
besitzen. Schon vergangene Woche hatte der marokkanische Dolmetscher 
Merouane Missaoua einem Korrespondenten des Deutschlandfunks gesagt, 
viele der von ihm am Wiener Westbahnhof Befragten kämen ihrem Dialekt 
nach entweder aus nordafrikanischen Maghreb-Staaten wie Marokko oder 
Libyen oder von der Arabischen Halbinsel.
Vor einer Woche hatte der deutsche Zoll mehrere Pakete mit gefälschten 
und echten syrischen Ausweisen abgefangen. Eine syrische Identität ist 
unter Flüchtlingen begehrt. Wer belegen kann, dass er aus dem 
Bürgerkriegsland geflohen ist, hat in Deutschland gute Aussichten auf 
Asyl. Ende August setzte Deutschland das Dublin-Verfahren für Syrer aus.
 Damit sind syrische Flüchtlinge nicht mehr verpflichtet, sich in dem 
Land registrieren zu lassen, in dem sie erstmals den Boden der EU 
betreten haben. 
Die Einschätzungen der Behörden zu falschen Identitäten von Flüchtlingen
 decken sich mit jenen der oppositionsnahen syrischen Gemeinde in 
Deutschland. "Wir beobachten mit Sorge, dass sich zunehmend Nichtsyrer 
als Syrer ausgeben, um einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu 
erlangen. Diese Entwicklung ist sehr zum Nachteil der schutzbedürftigen 
Syrer", sagt Bassam Abdullah vom Berliner Büro der oppositionellen 
Syrischen Nationalen Koalition. Der inoffizielle Botschafter Syriens in 
Deutschland bietet den Behörden seine Hilfe an: "Die Syrische Nationale 
Koalition könnte in Einzelfällen bei der Feststellung der Identität 
helfen", erklärte Abdullah dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. 
Noch ein weiteres Problem beschäftigt derzeit deutsche Innenpolitiker 
und Geheimdienste: die Frage der inneren Sicherheit. "Dem 
Bundesnachrichtendienst und befreundeten Diensten liegen Hinweise 
darüber vor, dass sich unter den Flüchtlingen auch Salafisten und 
potenzielle Gefährder befinden", bestätigte erstmals Innenminister 
Caffier dem RND: "In Sicherheitskreisen müssen wir das bedenken. Der 
unkontrollierte Zufluss von Flüchtlingen hat dafür Tür und Tor 
geöffnet." Bislang hatten deutsche Sicherheitsbehörden bestritten, dass 
es derartige Hinweise gibt.
Die Polizei verfügt offenbar über ähnliche Informationen. 
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am vergangenen 
Sonntag die Wiedereinführung von Grenzkontrollen mit den Worten erklärt,
 diese seien "auch aus Sicherheitsgründen dringend erforderlich". 
Gewerkschaftschef Wendt sagte dazu: "Das war genau der Hinweis darauf, 
dass sich zahlreiche Gefährder unter die Flüchtlinge gemischt haben." 
Auch laut Stephan Mayer (CSU), Innenexperte der 
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sind solche Fälle nicht auszuschließen. Die 
Bundessicherheitsbehörden hätten inzwischen eine Arbeitsgruppe gebildet,
 um das Problem in den Griff zu bekommen. Man wisse, dass Salafisten 
versuchten, unter Flüchtlingen Personen zu rekrutieren. "Wir müssen 
wachsam sein."
Unterdessen setzen sich immer mehr Flüchtlinge auf ihrem Weg in die 
zugewiesenen Flüchtlingsheime ab. In der Nacht zu Dienstag zogen 
Asylsuchende mehrmals in einem Sonderzug von München nach Berlin die 
Notbremse, um auf freier Strecke auszusteigen. Ein Sprecher der 
Bundespolizei in Berlin sagte, dass am Zielbahnhof Schönefeld in 
Brandenburg nahe der Berliner Stadtgrenze von 518 erwarteten 
Flüchtlingen noch 339 ankamen. Knapp 180 Flüchtlinge waren nach mehreren
 Notbremsungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt abgesprungen. "Die sind 
dann einfach mal weg. So etwas passiert immer wieder. Die Dunkelziffer 
derjenigen, die untertauchen, ist hoch", sagte Polizeigewerkschaftschef 
Wendt.
