CDU-Fraktionschef sorgt für Verstimmung in Dresden / Koalitionspartner SPD geht auf Distanz
Von Jürgen KOchinke
 Dresden. Einen Tag nach der Asyl-Sondersitzung im sächsischen 
Landtag war das denkwürdige Szenario auch gestern noch das beherrschende
 Thema im politischen Dresden. Im Mittelpunkt stand natürlich die Rede 
von Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) - vor allem aber der Auftritt
 "seines" Fraktionschefs Frank Kupfer im Anschluss daran. Die Reaktionen
 gestern waren ähnlich wie bereits am Tag zuvor: Kopfschütteln, ja 
Entsetzen auf der einen, klammheimliche Freude auf der anderen Seite. 
Dabei, das hat sich schon bei der Plenarsitzung am Dienstag gezeigt, 
gibt es eine bizarre Lagerbildung - und einen Riss quer durch die 
CDU-Fraktion.
 Das liegt nicht zuletzt an Wortwahl und Duktus von Kupfer zum 
Streitthema selbst, mit dem er einen klaren Konter zum Regierungschef 
gesetzt hat. Denn während dieser gegen gewalttätige Rassisten vor 
Asylunterkünften zu Felde zog und zu Barmherzigkeit aufrief, zeichnete 
Kupfer letztlich ein entgegengesetztes Bild. Beispiel Islam: "Dass 
Muslime kein Schweinefleisch essen und keinen Alkohol trinken, kann man 
ja noch tolerieren", hatte er unter dem Beifall der AfD-Fraktionäre 
gesagt und angehängt: "ist ja sogar gesund". Ansonsten aber seien diese 
vollkommen fremd.
Das sorgte auch gestern für heftige Reaktionen. "Die Rede von Herrn 
Kupfer ist verstörend", meinte Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt. 
"Entweder wollte er dem Ministerpräsidenten Schaden zufügen - dann tut 
sich in Sachsens führender Regierungspartei ein politischer Abgrund auf.
 Oder Kupfer ist durch persönliches Unvermögen seiner konservativen 
Rolle entglitten - dann wird er zum Risikofaktor für Sachsen in 
schwierigen Zeiten." In jedem Falle aber seien Kupfers Worte "wie ein 
Brandbeschleuniger" angesichts der aggressiven Lage vor Asylheimen. Nun 
müsse sich die CDU entscheiden, ob sie zum humanitären Konsens bereit 
sei "oder eine Rechtsregierung mit der AfD vorbereiten will".
Nicht weniger hart gingen die Grünen zu Werke. "Frank Kupfer ist 
gefangen in seiner kleinen Welt - überzeugt von eigenen Vorurteilen", 
meinte Fraktionschef Volkmar Zschocke. "Seine Worte füttern die Angst 
vor Flüchtlingen und dem Islam. Er begreift nicht, dass er dabei 
niemanden gewinnt, sondern die Menschen nur in die Arme von Pegida, AfD 
& Co. treibt."
Nicht einfacher wird die Situation für die dauerregierenden 
Christdemokraten durch den Umstand, dass auch der Koalitionspartner SPD 
zwar moderat in der Tonlage, aber deutlich vernehmbar auf Distanz geht. 
"Der Ministerpräsident hat sich mehrfach mehr als deutlich geäußert", 
sagte Fraktionsvize Dagmar Neukirch. "Wir unterstützen die 
Staatsregierung ohne Wenn und Aber. Ob und warum das andere eventuell 
anders handhaben - diese Frage ist bei uns eindeutig an der falschen 
Adresse." Im Klartext: Das Problem hat nicht die SPD, der Ball liegt bei
 der CDU.
Bei der AfD ist die Stimmung ganz anders, die Fraktion befindet sich 
fast schon in einer Art Feierlaune. Schon am Dienstag war Fraktionchefin
 Frauke Petry Tillich herb angegangen, hatte ihm vorgeworfen, den 
Menschen "Sand in die Augen" zu streuen. Gestern legte sie nach. Der 
Regierungschef habe die "Gewalttaten einzelner Randalierer dazu 
missbraucht, regierungs- und asylkritische Sachsen pauschal als 
Hassfiguren zu beschimpfen", sagte sie.
Laut Petry zieht dabei aber Tillichs eigene Partei nicht mit. "Die 
CDU-Basis ist offenbar anderer Meinung als ihr Landesvorsitzender und 
Ministerpräsident", meinte sie. Dies belege allein schon die Tatsache, 
dass Kupfer ihm widersprach, "offen und konfrontativ. Tillich biege vor 
seiner eigenen Partei "scharf links ab", "beseelt vom Eifer, bei seiner 
Bundesvorsitzenden Merkel politische Punkte zu sammeln".
Unübersichtlich ist dagegen die Lage in der CDU-Fraktion. Zwar dürfte 
die Mehrheit der Abgeordneten beim Reizthema hinter Kupfer stehen - und 
damit letztlich gegen Tillichs Kurs. Doch es gibt auch andere kritische 
Stimmen. "Ich hätte die Rede anders gehalten", lautete noch eine der 
harmloseren Reaktionen hinter vorgehaltener Hand. Auch halten einige 
jüngere Abgeordnete Kupfer mangelnden Pragmatismus vor - was nur eine 
Umschreibung ist für den Vorwurf, er präsentiere keine Lösungen, sondern
 betreibe schlicht Ideologie.
