Landtag debattiert heute zu Übergriffen an Heimen / Gebhardt präsentiert linke Initiative mit Seltenheitswert
Von Jürgen Kochinke
 Dresden. Wenn sich die Abgeordneten heute zum Streitthema Asyl 
im sächsischen Landtag treffen, könnte die Stimmung kaum aufgeheizter 
sein. Erst Meißen, dann Freital, jetzt Heidenau - überall kommt es zu 
Übergriffen, Ausschreitungen und üblen Hasstiraden sogenannter 
"besorgter Bürger". Und auch dem letzten müsste mittlerweile 
klargeworden sein, dass es sich dabei nicht um Besorgte handelt, sondern
 um entfesselte Wutpöbler und Neonazi-Hooligans. Zwar gibt es Attacken 
auf Asylbewerberheime derzeit in fast allen Bundesländern, solche Szenen
 wie mehrfach in Heidenau aber eher selten bis nicht.
 Das ist die Gemengelage vor der heutigen Sitzung im Landtag. Doch es 
gibt auch Zeichen der Hoffnung. Nach Jahren des Leugnens, Verdrängens 
und Totschweigens scheint Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) jetzt 
den Ernst der Lage erkannt zu haben. Tatsächlich spricht er nun von 
einer "nicht zu unterschätzenden rechtsextremistischen Szene" in 
Sachsen. Das ist gleich doppelt beachtlich. Zum einen ist es das genaue 
Gegenteil jener Losung, die CDU-Übervater Kurt Biedenkopf - "Sachsen hat
 kein Neonazi-Problem" - Ende der 90er-Jahren ausgegeben hatte. Zum 
anderen sind solche Töne in Tillichs CDU-Fraktion, bis hin zu Chef Frank
 Kupfer, bisher kaum zu vernehmen.
Beachtlich aber ist nicht nur der Wandel von Tillich, sondern auch der 
Ansatz von manchem aus der Opposition. So hat Linke-Fraktionschef Rico 
Gebhardt vor kurzem eine Initiative gestartet, die Seltenheitswert hat. 
Tenor: Angesichts eskalierender Lagen bei der Aufnahme von Flüchtlingen 
sowie mit rassistischen Hetzern sei in Sachsen ein "parteiübergreifend 
organisierter Neustart" vonnöten. Dabei geht es Gebhardt um einen 
"praktischen Grundkonsens" beim Schlüsselthema Asyl. Denn da, so der 
Linke, säßen alle "in einem Boot" und müssten entsprechend gemeinsam 
nach Lösungen suchen - alle mit Ausnahme der rechtskonservativen AfD.
Das sind überaus rare Worte aus dem Mund eines Oppositionsführers, denn 
es ist ein direktes Angebot an die CDU. Konkret liest sich das bei 
Gebhardt so: "Ich glaube, dass selbst demokratische Sozialisten und 
Christdemokraten ein Stück des Weges zur Überwindung der derzeitigen 
untragbaren Asyl-Verhältnisse in Sachsen gemeinsam gehen können, ja 
sollen, ja eigentlich sogar müssen." Dabei macht der Linke eine Reihe 
von Lösungsvorschlägen - zum Beispiel, dass die vier beteiligten 
Parteien sich gegenseitig bei der Organisation einer asylpolitischen 
Kommunikation in den Kommunen aushelfen und unter die Arme greifen.
Dass Gebhardt dabei auf allzu viel Gegenliebe bei den versammelten 
Unionschristen stößt, kann allerdings nahezu  ausgeschlossen werden. Zum
 einen sind ihnen die Linken immer noch eine Art rotes Tuch, zum anderen
 gilt ihnen die AfD keineswegs nur als Teufelswerk - nicht zuletzt mit 
Blick auf die Landtagswahl 2019. Eine punktuelle, schwarz-rot-rot-grüne 
Koalition der Vernunft, wie Gebhardt sie vorschlägt, geht für viele 
Christdemokraten schon deshalb nicht, weil dieser die AfD nicht dabei 
haben will.
