Landkreis beruft sich auf polizeilichen Notstand / Willkommensfest vor Asylunterkunft ausgenommen
Von martin fischer
 Heidenau. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat die
 Notbremse gezogen: Eine Woche nach den Krawallen von Rechtsradikalen in
 Heidenau hatten rechte und linke Gruppen wieder Kundgebungen und 
Demonstrationen angemeldet - und der Kreis sie alle verboten. Das 
Verwaltungsgericht Dresden hielt das für unzulässig, das 
Oberverwaltungsgericht in Bautzen dagegen stützte das Verbot - bis auf 
eine Ausnahme.
 Wer kann ein Versammlungsverbot aussprechen - und wann? 
  
 Die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz garantiert. Einschränkungen
 müssen sehr gut begründet sein. Eine Gefährdung der öffentlichen 
Sicherheit und Ordnung stellt einen solchen Grund dar. Sie hatte auch 
das Landratsamt in Pirna angeführt. Die Behörde berief sich auf einen 
sogenannten polizeilichen Notstand. "Danach sind die zur Verfügung 
stehenden Polizeikräfte nicht in der Lage, der prognostizierten 
Lageentwicklung gerecht zu werden", erklärte die Beigeordnete Kati 
Hille. Dadurch könnten Leib und Leben von Demonstranten, Polizisten und 
Unbeteiligten in Gefahr sein.
  Warum stehen denn nicht genügend Polizisten zur Verfügung? Können die Nachbarländer nicht helfen? 
  
 Sachsens Innenministerium in Dresden nennt keine Zahlen, betont aber, 
dass man alle zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte mobilisiert habe. Es
 müssten auch noch weitere Veranstaltungen wie Fußballspiele und das 
Altstadtfest in Görlitz gesichert werden. Einige Anfragen in den anderen
 Ländern und beim Bund liefen zwar noch, die dortigen Einheiten seien 
aber ebenfalls schon stark eingebunden. 
 Warum kippte das Verwaltungsgericht Dresden das Verbot zunächst?
  
 Die Richter befanden, dass es "offensichtlich rechtswidrig" ist, alle 
Versammlungen von gestern bis Sonntag zu untersagen. Das erschien ihnen 
unverhältnismäßig. Sie bemängelten außerdem, dass für die Einschätzung 
der Gefahrenlage lediglich die Krawalle vom vergangenen Wochenende 
herangezogen worden seien, "ohne sich konkret mit den für das kommende 
Wochenende angezeigten Versammlungen auseinanderzusetzen und darzulegen,
 wie von der zu erwartenden Teilnehmerzahl eine unmittelbare Gefahr für 
die öffentliche Sicherheit ausgehen solle". 
  Wieso entschieden die Oberverwaltungsrichter in Bautzen anders?  
Das Versammlungsverbot bleibt laut der Eil-Entscheidung des 
Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen bestehen - teilweise. Denn alle vom 
Bündnis "Dresden Nazifrei" für gestern geplanten Veranstaltungen - 
darunter das Willkommensfest vor der Asylunterkunft - durften 
stattfinden, wie die Richter noch gestern Abend erklärten. Ob der vom 
Kreis geltend gemachte polizeiliche Notstand auf die anderen vom Verbot 
betroffenen Versammlungen zutrifft, ließ das Oberverwaltungsgericht 
offen. Es war noch eine Demo für das Wochenende angemeldet, die auch von
 rechten Gruppen wie der Bürgerwehr Freital und dem Heimatschutz Meißen 
unterstützt wurde.   
  Hat es solche Fälle schon gegeben? 
  
 Ja, auch die Verbote einer Pegida-Demonstration in Dresden im Januar 
und einer Legida-Kundgebung im Februar in Leipzig waren mit einem 
polizeilichen Notstand begründet worden. In Dresden war zuvor eine 
Terrorwarnung eingegangen. In Leipzig sagte Oberbürgermeister Burkhard 
Jung (SPD) damals: "Mit 1000 Beamten lässt sich die Sicherheit der Stadt
 nicht garantieren."
 Wer hatte das Versammlungsverbot  eigentlich überprüfen lassen?
 
 Ein junger Jurist aus dem Rheinland - der wissenschaftliche Mitarbeiter
 einer Kanzlei wollte an dem Willkommensfest für die Flüchtlinge 
teilnehmen. "Es kann doch nicht sein, dass für eine ganze Stadt über 
zwei Tage ein Versammlungsverbot gelten soll."
