Neuer Landesbischof Carsten Rentzing über Umgang mit Flüchtlingen und Mitgliederschwund
Dresden. Am 29. August wird Carsten Rentzing (47) in der Dresdner 
Kreuzkirche als neuer Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen 
Landeskirche Sachsens eingeführt. Im Interview spricht der promovierte 
Theologe über die Kontroverse um homosexuelle Pfarrer in Sachsen, den 
Umgang mit Flüchtlingen und darüber, wie er den Mitgliederschwund der 
Kirche stoppen möchte.
  
 Einige Synodale hätten Ihre Wahl zum Landesbischof gern um jeden 
Preis verhindert. Wie wollen Sie diese Teile der Landeskirche jetzt 
gewinnen?
 
 Ich werde das Gespräch mit ihnen suchen. Wir sind alle nicht unfehlbar.
 Deshalb sollten wir gemeinsam auf der Suche nach der Wahrheit bleiben. 
Dazu bin ich bereit.
 Sie sind nicht zu beneiden. Gehen Sie zu sehr auf den liberalen 
Flügel der Kirche zu, drohen Sie die Teile zu verlieren, die Sie gewählt
 haben, etwa die Anhänger der Sächsischen Bekenntnisinitiative. Bleiben 
Sie bei Ihren theologisch konservativen Ansichten, könnte es schnell 
heißen: Also doch nur ein Bischof der einen Seite...
 
 Ich werde von allen Seiten Schläge kriegen. Darauf bin ich emotional 
vorbereitet. Als Landesbischof kann man nicht nur die theologischen 
Interessen einzelner Gruppen vertreten. Ich trete nachdrücklich für den 
Gewissensschutz und die Gewissensfreiheit ein. Das habe ich während der 
Debatte um die Öffnung des Pfarrhauses für gleichgeschlechtliche 
Partnerschaften getan und das werde ich künftig tun.
 Was ist verkehrt daran, wenn ein schwuler Pfarrer oder eine 
lesbische Pfarrerin mit ihrem Lebenspartner im Pfarrhaus zusammenleben 
möchten?
 
 Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich mich schützend vor alle 
homosexuell lebenden Menschen stellen werde, die für sich entscheiden, 
mit ihrem Partner zusammenzuleben und dies vor Gott verantworten. Auch 
hier gilt der evangelische Grundsatz der Gewissensfreiheit. Niemand hat 
das Recht, diese Menschen moralisch zu diskreditieren! Die theologischen
 Fragen, die die Kirche vor dem Hintergrund der Aussagen der Heiligen 
Schrift zu stellen hat, bleiben aber. Ein solches Zusammenleben in 
Pfarrhäusern könnte das Signal setzen, dass diese Partnerschaften aus 
Gottes Sicht in Ordnung sind. Meines Erachtens würde die Kirche damit 
die Grenze dessen, was sie zu diesem Thema sagen kann, weit 
überschreiten. Pfarrerinnen und Pfarrer sind keine reinen 
Privatpersonen. Sie stehen auch mit ihrem Leben für die Verkündigung der
 Kirche.
 Sie bleiben also bei Ihrer Ablehnung...
 
 Aus den genannten theologischen Gründen, ja! Wir haben in der 
Landeskirche aber eine Regelung gefunden, wonach ein Zusammenleben in 
seelsorgerlich begründeten Einzelfällen und in Rücksprache mit dem 
Kirchenvorstand und dem Superintendenten möglich ist. Dazu stehe ich.
 Ist Kirche für Außenstehende attraktiver, wenn sie klare Kante zeigt?
 Natürlich. Man kann anderen den christlichen Glauben nicht 
näherbringen, wenn man profillos bleibt. Wir müssen Zeugnis davon geben,
 wie uns der Glaube an den liebenden, auferstandenen Christus in unserem
 Leben trägt.
 Aber vielen Nichtchristen fehlt ohne den Glauben gar nichts.
 Es gibt eine Untersuchung, die im Vorfeld einer 
ProChrist-Evangelisation gemacht wurde. Die Macher hatten den Eindruck, 
es sei unangemessen, einfach nur zu fragen: Glauben Sie an Gott? Denn 
gerade hier im Osten würden die meisten darauf sofort mit Nein 
antworten. Also entschlossen sie sich, Passanten in der Stuttgarter und 
der Leipziger Innenstadt zu fragen, ob sie Zeit hätten für ein Gespräch 
über Gott und die Welt. Danach fragte man sie, ob sie sich in 
irgendeiner Weise als gläubig einschätzen würden. Das überraschende 
Ergebnis: In beiden Städten meinten 99 Prozent: An irgendetwas Höheres 
glauben wir auch. Das sollte uns nachdenklich stimmen.
 Ein Thema, das gegenwärtig bewegt, ist der Umgang mit Flüchtlingen. 
Sachsen steht dabei durch Pegida, Proteste und Angriffe auf 
Asylbewerberheime stark im Blickpunkt.
 In der Frage, wie wir mit Asylanten umgehen und Flüchtlingsströme 
kanalisieren, kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Allerdings 
darf die Würde anderer nicht verletzt werden. Kirche muss nicht die 
Frage beantworten, ob es sich um "echte" oder "falsche" Flüchtlinge 
handelt, um Christen oder Muslime. Wie sollte ich meinem Herrn 
gegenübertreten, wenn er mich dereinst fragte: Warum hast du diesen 
aufgenommen und jenen nicht? In der Bibel sehe ich keine Stelle, die mir
 das erlaubte - wenngleich wir nicht vergessen dürfen, dass Christen die
 am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft weltweit sind.
 Zurück zur sächsischen Landeskirche: Hatte sie 1995 noch über eine 
Million Mitglieder, sind es gegenwärtig gerade noch gut 700000. Wie 
wollen Sie als Landesbischof diesen Trend stoppen?
 Das kann nicht der Landesbischof. Das kann nur der Herr der Geschichte.
 Was wir erleben, ist eine dramatische Veränderung bei der 
Bevölkerungsentwicklung. Es gibt kein Patentrezept, diesen Trend zu 
stoppen. Glaube ist nichts, was man per Knopfdruck an- oder ausschalten 
könnte. Gott schenkt Zeiten, in denen Menschen zum Glauben kommen - 
einzelne, wie wir es heute erleben, manchmal auch ganze Gruppen und 
Völker. Das halte ich für möglich. Unsere Aufgabe als Kirche ist es 
nicht, die Welt zu retten, sondern das Evangelium zu verkünden mit den 
Mitteln, die wir haben. 
  Interview: Matthias Pankau
