Wende bei Erstaufnahmeeinrichtungen: Innenministerium nimmt geplante Aufstockung der Plätze zurück
Von Jürgen Kochinke
 Dresden. Das bizarre Hin und Her der sächsischen Landesregierung
 beim Reizthema Asyl hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Nachdem Ende 
vergangener Woche bekannt geworden war, dass die Erstaufnahmeeinrichtung
 in Schneeberg entgegen anderslautender Zusagen aufgestockt werden soll,
 kam gestern die plötzliche Wende der Wende. Kein Geringerer als Michael
 Wilhelm, der Staatssekretär von Innenminister Markus Ulbig (CDU), 
erklärte dem staunenden Publikum, dass nun doch alles beim Alten bleibt.
 "In Schneeberg werden keine zusätzlichen Kapazitäten aufgebaut", sagte 
Wilhelm  am Rande des Lenkungsausschusses Asyl, eine Aufstockung 
jedenfalls sei nicht geplant. Begründung: "Die Zahlen aus dem Papier 
sind falsch."
 Das ist eine mehr als beachtliche Aussage. Schließlich war es Wilhelm, 
der neben "seinem" Minister an just jener Sondersitzung des 
Innenausschusses im Landtag teilgenommen hatte, in der den Abgeordneten 
jene Zahlen als Tischvorlage präsentiert wurden. Und die betrafen eben 
auch Schneeberg, wo die Plätze in der Erstaufnahmeeinrichtung von 
derzeit 840 auf 1105 hochgefahren werden sollen (LVZ berichtete). Nun 
also das Gegenteil. Dabei bleibt es das Geheimnis des Staatssekretärs, 
warum er jenes Zahlenwerk im Innenausschuss hat passieren lassen, von 
dem er nun behauptet, es sei verkehrt. 
Diese Facette aber ist noch nicht das Ende des regierungsamtlichen 
Wirrwarrs derzeit. Perfekt wird es erst durch die Tatsache, dass Ulbig 
es sich nicht hat nehmen lassen, auch selbst ein paar Sätze zum Thema zu
 sagen. Das war in einem Interview mit der Bild-Zeitung am vergangenen 
Mittwoch. Und genau darin präsentiert der Minister die Lesart von 
Ausschuss. Im O-Ton liest sich das so: "Wenn wir die Menschen aus den 
Zelten raus haben wollen, müssen wir alle Kapazitäten nutzen - also auch
 dort gegebenenfalls aufstocken." Und das gelte vorerst auch für 
Schneeberg.
Dabei musste ihm da bereits klar gewesen sein, wie problematisch dies 
ist.  Schließlich hatte Ulbig erst im Juni versprochen, Schneeberg von 
derzeit 840 Plätzen auf 280 zu reduzieren - von einer Aufstockung ganz 
zu schweigen. Umgehend machte die These vom Wortbruch die Runde, zudem 
setzte es in der Region Proteste, auch von betroffenen Abgeordneten der 
CDU-Landtagsfraktion. Eben das aber dürfte der Grund für die letzte 
Wende gewesen sein, die das Innenressort jetzt hingelegt hat.
Der Lenkungsausschuss selbst hat dagegen wenig Neues ergeben. Direkt 
nach der Sommerpause in rund zehn Tagen will sich das Kabinett mit dem 
Asyl-Thema beschäftigen. Dabei geht es auch um ein neues Konzept für 
Erstaufnahmeeinrichtungen. Darüber hinaus soll auch eine neue Tonlage 
auf der zweiten Asyl-Ebene, der späteren Unterbringung in den Kommunen, 
angeschlagen werden. So war es laut Integrationsministerin Petra Köpping
 (SPD) bisher Sitte, dass das Land bei den Kommunen nach 
Unterbringungsmöglichkeiten angefragt hat und die hätten sich dann 
gemeldet - oder eben auch nicht. Das soll sich nun ändern. "Es ist an 
der Zeit, dass man alle Kommunen in die Partnerschaft nimmt", sagte 
Köpping, was soviel heißen soll wie: in die Pflicht. "Keiner kann sich 
dann mehr im Gebüsch verstecken und sagen, das geht mich nichts an."
