"Humanitäre Katastrophe": Dresdner Zeltstadt weiter in der Kritik

Erstveröffentlicht: 
08.08.2015

Mediziner beklagen hygienische Zustände / Gesundheitsministerium räumt Probleme ein

 

Von Christiane Raatz und Jörg Schurig


Dresden. Das Dresdner Zeltlager für Flüchtlinge sorgt weiter für Diskussionen. Während ehrenamtlich tätige Ärzte der Dresdner Uniklinik die hygienischen und medizinischen Bedingungen in der Zeltstadt kritisierten, sehen andere Mediziner wiederum keine akute Gefahr für mögliche Epidemien. Erstmals hatten gestern auch Journalisten Zugang zu dem Lager. Das sächsische Gesundheitsministerium räumte ein, dass "die hygienische Situation anfangs kritisch war und auch noch nicht optimal ist".


Laut Gesundheitsstaatssekretärin Andrea Fischer habe es aber in den vergangenen Tagen Verbesserungen gegeben. Demnach wurden sämtliche Dixi-Toiletten durch Container ersetzt, zwei Ärzte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) kümmern sich um die Flüchtlinge. Sobald ein Patient Durchfall habe, werde dieser ins Krankenhaus geschickt, erklärte die ärztliche Geschäftsführerin der Landesärztekammer, Patricia Klein. Das Gesundheitsamt der Stadt sei jeden Tag vor Ort, um die Standards zu kontrollieren. Laut Klein, die sich ehrenamtlich in der Zeltstadt engagiert, werde gerade ein Notfallplan für Epidemien erstellt. "Die Kliniken sind alle bereit, Patienten aufzunehmen."


Mediziner hatten angesichts der anhaltenden Hitze vor dem Ausbruch von Krankheiten in dem Camp gewarnt. "Die hygienischen Bedingungen sind unzureichend, es besteht die Gefahr von gefährlichen Durchfallerkrankungen", sagte Gerhard Ehninger vom Dresdner Universitätsklinikum. Zudem drohe die Gefahr von Hitzschlägen, weil es in der Zeltstadt kaum Schatten gebe. Die Versorgung mit Trinkwasser an den Wasserausgabestellen ist laut Einschätzung des Arztes nicht ausreichend. Ehninger sprach von einer "humanitären Katastrophe", weil die Unterbringung der Flüchtlinge nicht den internationalen Standards entspreche. Die Zelte seien überbelegt, es gebe zu wenig Toiletten. Für Kinder bestehe Verletzungsgefahr durch spitze Steine, die als Untergrund dienten. Der Arzt kritisierte zudem die schlechten Arbeitsbedingungen für ehrenamtliche medizinische Helfer. Ehninger forderte daher eine "konzertierte Aktion", um die medizinische Betreuung der Flüchtlinge zu koordinieren - und sieht dafür vor allem das Gesundheitsministerium in der Pflicht.


Laut den Worten von Sachsens DRK-Chef Rüdiger Unger, dessen Organisation das Camp betreut, arbeite man in dem Zeltlager nach einem Standard für die Nothilfe. "Es entspricht nicht dem, was wir uns wünschen. Es wird aber jeden Tag ein Stück besser." Zudem betonte er, dass es keinen Mangel an Trinkwasser gebe. Es seien rund 30000 Liter vorrätig. Für die Flüchtlinge stünden 14 Toiletten für Frauen und 25 für Männer zur Verfügung. Zudem gebe es auf dem Gelände elf Duschcontainer für Frauen sowie 20 für Männer.


Auch der Sächsische Flüchtlingsrat, der Ausländerrat Dresden, das Netzwerk "Dresden für alle" und die Ausländerbeauftragte der Stadt kritisierten die Zustände in dem Camp im Stadtteil Friedrichstadt. "In dieser Hitze unter solchen Bedingungen, das ist gefährlich, vor allem für Kinder", so die Dresdner Ausländerbeauftragte Kristina Winkler. Ihrer Einschätzung nach würden die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen nicht eingehalten. Zur Begründung verwies sie auf unzureichende Möglichkeiten zur körperlichen Pflege, mangelhafte Ernährung und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten. Winkler forderte deshalb, Familien und Schwangere so schnell wie möglich in festen Unterkünften unterzubringen. Laut Angaben von DRK-Chef Unger habe man in den vergangenen Tagen jede Chance genutzt, Familien mit Kindern in feste Unterkünfte zu schicken. Bisher waren rund 1000 Menschen in der Zeltstadt untergebracht.