Brandenburg stößt Debatte um Kopfpauschale an
Von Jürgen Kochinke
 Dresden. Die Krise beim Umgang mit rapide steigenden 
Asylbewerberzahlen hält Sachsens Regierung weiter in Atem. Zwar ist es 
noch nicht offiziell bestätigt, aber mittlerweile machen Meldungen die 
Runde, wonach die Zahlen weiter steigen. Bisher geht das Bundesamt für 
Migration und Flüchtlinge noch davon aus, dass dieses Jahr 450000 
Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Nach dem Verteilschlüssel auf die 
Länder hat Sachsen davon gut fünf Prozent vorerst in 
Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen - also rund 23000 bisher. Nach 
internen Prognosen könnten aber bis zu 600000 das Bundesgebiet 
erreichen, womit 31000 in den Freistaat kämen.
 Für Sachsen dürften die Folgen erheblich sein. Schon heute sind selbst 
die neu errichteten Notunterkünfte - wie das Zeltlager in Dresden mit 
1100 Plätzen - innerhalb weniger Tage komplett belegt. Und täglich 
kommen 200 bis 300 neue Flüchtlinge an, bis heute sind es sachsenweit 
fast 15000. Sollten die Meldungen zutreffen, wäre das aber nur die 
Hälfte der Gesamtzahl in diesem Jahr.
Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen zwar stets von zügiger 
Abschiebung jener Flüchtlinge sprechen, die aus sogenannten sicheren 
Herkunftsländern stammen - vom Balkan vor allem. Wirklich umgesetzt wird
 dies aber bisher nicht. Zugleich wird die Gesundheitsversorgung immer 
problematischer. So gab es im Dresdner Zeltlager drei 
Tuberkulose-Verdachtsfälle, bestätigt haben sich diese bisher aber 
nicht. Unspektakulär dagegen ist die Krätze, weil es sich um Einzelfälle
 und keinen Großausbruch handelt. Um die Erstversorgung zu entzerren, 
soll das Gesundheitsamt in Chemnitz entlastet werden. Bisher fanden nur 
dort Erstuntersuchungen statt, künftig solle dies laut 
Gesundheitsstaatssekretärin Andrea Fischer (CDU) auch in Dresden und 
Leipzig erfolgen.
 Genscher verurteilt Gewalt 
 Unabhängig davon wollen Landespolitiker den Bund beim Asylthema stärker
 zur Finanzierung in die Pflicht nehmen. So forderte Brandenburgs 
Finanzminister Christian Görke (Linke) eine Kopfpauschale von 1000 Euro 
Bundesmittel für die Länder - pro Monat und Flüchtling. Sachsens 
Finanzministerium will sich hier noch nicht festlegen. "Sachsen erwartet
 eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes", sagte Sprecher 
Stephan Gößl. In Kürze würden dazu Gespräche mit dem Bund geführt; Ziel 
sei eine langfristige Lösung. "Auf welchen Betrag das hinausläuft, lässt
 sich im Vorfeld nicht abschätzen." Hartmut Mangold (SPD), 
Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, äußert sich dagegen 
eindeutiger. "Die Idee, eine Pauschale pro Asylbewerber zu erhalten, 
finden wir nicht uninteressant, wenn damit der Bund angemessen in die 
finanzielle Verantwortung genommen wird", sagte er. Sie würde für Länder
 und Kommunen mehr Planungssicherheit bei der Bewältigung der Aufgaben 
bedeuten. "Die Höhe der Pauschale müsste sich am tatsächlichen Bedarf 
einer fairen Lastenverteilung orientieren und in gemeinsamen 
Verhandlungen festgelegt werden", erklärte Mangold.
Wegen der zunehmenden Übergriffe auf Asylbewerberheime hat sich gestern 
auch Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) zu Wort gemeldet. 
Diese Angriffe erinnerten ihn an seine Kindheit im Nationalsozialismus, 
sagte er der Wochenzeitung Die Zeit. "Wissen Sie, immer wenn ich eine 
Meldung über einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim lese, stehen vor 
mir die Bilder meiner Kindheit: brennende Synagogen und zerstörte 
jüdische Ladengeschäfte.
