Wurde zwei Mal auf das Apart-Hotel geschossen?
Von André Neumann
 Böhlen. Das Apart-Hotel in Böhlen (Kreis Leipzig), das Sachsen als 
Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 180 Asylbewerber nutzt, ist zur 
Zielscheibe von Anschlägen geworden. Unklar ist, welche Art von Waffen 
bei den zwei Vorfällen am Wochenende benutzt worden waren, die erst 
gestern bekannt wurden. Mehrere Elemente der gläsernen 
Fassadenverkleidung bis über die obere Fensterreihe hinaus gingen zu 
Bruch. Auch eine Scheibe soll getroffen worden sein. Knapp 150 
Asylbewerber befanden sich zu der Zeit in dem Hotel.
 Zum ersten Mal hatte der Wachdienst in der Nacht zum Sonnabend ungefähr
 eine Viertelstunde nach Mitternacht die Polizei in Borna gerufen. Die 
Rede war von Schüssen. Vor Ort fanden die Beamten die geborstenen 
Fassadenteile, Hinweise auf den tatsächlichen Einsatz einer Schusswaffe 
gab es zunächst nicht. In der Nacht darauf ging gegen 0.45 Uhr der 
nächste Alarmruf ein. Wieder sollten Schüsse gefallen sein, wieder waren
 die Beamten des Polizeireviers Borna die ersten, die den Tatort 
sicherten, ehe das Operative Abwehrzentrum Sachsen, zuständig für 
Extremismusabwehr, die weiteren Ermittlungen übernahm. 
 Bürgermeisterin spät informiert
  Hotelbetreiber Wolfgang Seifert war gestern zu keiner Stellungnahme zu
 den Vorfällen bereit. Vor dem Hotel herrschte scheinbar friedlicher 
Alltag. Ein Bediensteter fegte vor dem Haus; eine Gruppe Asylbewerber 
saß auf Garten- stühlen in der Sonne. Mehrere Medienvertreter warteten 
vor dem Gebäude; ein Streifenwagen der Polizei rollte an. 
Etwa zur selben Zeit telefonierte Böhlens Bürgermeisterin Maria Gangloff
 (Linke) mit dem Leipziger Polizeipräsidenten Bernd Merbitz. Und 
berichtete diesem zuerst von der neuerlichen Informationspanne. Denn von
 den Anschlägen am Wochenende in ihrer Stadt erfuhr die Bürgermeisterin 
erst gestern bei ihrem wöchentlichen Treffen mit den Betreuern der 
Asylbewerber, an dem diesmal auch Hotelbetreiber Seifert teilnahm, der 
sie fast beiläufig über die Vorfälle informierte. Nach dem Gespräch mit 
Merbitz geht Gangloff davon aus, "dass es sich nicht um scharfe 
Schusswaffen" handelte. Dennoch sieht sie mit den Anschlägen, bei denen 
auch Menschen hätten verletzt werden können, "eine Stufe der Eskalation"
 erreicht. "Das ist kein dummer Jungenstreich, sondern eine gezielte 
Aktion", sagte sie der Leipziger Volkszeitung. Vom nächsten Treffen mit 
dem Vizepräsidenten der Landesdirektion, Polizeivertretern der Polizei 
und dem Hotelbetreiber morgen erwarte sie genauere Informationen.
Holm Felber, der Sprecher der Landesdirektion Sachsen, die für den 
Freistaat die Plätze im Apart-Hotel Böhlen auf unbestimmte Zeit als 
Erstaufnahmeplätze angemietet hat, äußerte sich gestern zurückhaltend 
und verwies auf die Ermittlungen der Polizei. Diese wollte Fragen zu 
möglichen Waffen und zum Tathergang aus ermittlungstaktischen Gründen 
nicht beantworten. Felber: "Falls es tatsächlich ein Anschlag mit 
Schusswaffen war, steckt dahinter eine kriminelle Energie, gegen die man
 machtlos ist."
 Politiker sehen neue Eskalationsstufe
 Die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel urteilte schneller: 
"Wieder wird in Sachsen eine neue, erschreckende Stufe der Gewalt gegen 
Geflüchtete erreicht. Sie forderte von der Regierung, "für die 
Sicherheit an Unterkünften von Asylsuchenden zu sorgen". "Ich bin 
entsetzt", sagte Petra Zais (Grüne). Die Regierung - und in erster Linie
 Innenminister Markus Ulbig (CDU) - müsse sich vorwerfen lassen, die 
rassistische Gefahr lange verharmlost zu haben. Die Grünen forderten die
 Regierung zudem auf zu prüfen, ob sogenannte Bürgerwehren - wie die in 
Freital - verboten werden könnten. "Es ist erschreckend und zutiefst 
beschämend für uns alle, dass Menschen hier aufgrund ihrer Herkunft 
Angst haben, weil sie an Leib und Leben bedroht werden", sagte die 
designierte Generalsekretärin der SPD Sachsen, Daniela Kolbe. Uwe 
Wurlitzer (AfD) erklärte, man verurteile ausdrücklich jede Art von 
Gewalt gegen Asylbewerber und Asylbewerberheime.
