Pflastersteine und Molotowcocktails fliegen, Barrikaden brennen Innenminister: Strategie gegen Linksextremisten überdenken
Von Anne Grimm, JOhannes Angermann und Klaus Staeubert
 Nach den gewaltsamen Ausschreitungen in der Leipziger Innenstadt fehlt 
von den Drahtziehern noch jede Spur. Polizeipräsident Bernd Merbitz 
erwägt die Einrichtung einer Sonderkommission, nachdem am späten 
Freitagabend 100 Chaoten mit Steinen und Molotowcoctails das 
Bundesverwaltungsgericht, das US-Generalkonsulat sowie die Polizei 
angegriffen hatten. Diese vermutet die Täter im linksradikalen Spektrum 
und ermittelt nun wegen Landfriedensbruchs. Mehrere Politiker von CDU 
und SPD forderten am Wochenende Konsequenzen aus dem Vorfall, unter 
anderem ein verbessertes Sicherheitskonzept für die Messestadt.  
 Verletzte Polizisten, kaputte Scheiben, zerstörte Autos, brennende 
Reifen: Am Freitagabend hielten 100 teils vermummte Personen die Polizei
 in Atem. Die Randalierer hatten kurz nach 22 Uhr am Pavillon im 
Johannapark eine Barrikade aus Reifen errichtet und in Brand gesetzt. 
Von dort waren sie weiter in die Karl-Tauchnitz-Straße gezogen. Auf dem 
Weg dorthin zündeten sie Feuerwerkskörper, warfen Molotowcocktails, 
Farbbeutel und 200 Pflastersteine, beschmierten Fassaden und Gehwege. 
Sie streuten Krähenfüße, wodurch zwei Fahrzeuge beschädigt wurden. Von 
einem Reisebus zerstörten sie die Frontscheibe. Überdies zerlegten sie 
eine Straßenbahnhaltestelle am Neuen Rathaus. Am 
Bundesverwaltungsgericht und in einem medizinischen Zentrum gingen 
Fensterscheiben zu Bruch.
 Zwischen Gericht und Konsulat konnten die Beamten die Randalierer 
stoppen. Mehrere Beamte wurden dabei verletzt, drei Polizeifahrzeuge 
stark beschädigt. Die ganze Attacke dauerte keine halbe Stunde. Ein 
Großteil der Täter flüchtete, ein 35-jähriger polizeibekannter Mann 
wurde vorläufig festgenommen. Zur Schadenshöhe liegen noch keine Angaben
 vor.
 Der Leipziger CDU-Landtagsabgeordnete Ronald Pohle war zufällig 
Augenzeuge der Krawalle geworden.  Er sprach von einer "Straßenschlacht"
 und von "blinder und zügelloser Gewalt durch vermummte Straftäter".  
Pohle: "Die Straßenkreuzung gegenüber dem Neuen Rathaus glich einem 
Schlachtfeld, mehrere Brandherde, hunderte Pflastersteine 
unterschiedlicher Güte, Gussteile von Versorgungsleitungen, 
Wurfgeschosse und Pyrotechnik aller Art übersäten die Kreuzung." Der 
Parlamentarier kündigte an, das Thema in den nächsten Sitzungen des 
Innenausschusses des Landtages auf die Tagesordnung zu setzen. "Ich 
werde dabei auf ein verbessertes Sicherheitskonzept für Leipzig 
dringen", so Pohle.
Polizeipräsident Bernd Merbitz sprach von einem "Gewaltexzess". Er 
verortet die Täter im linksextremistischen Spektrum. Ein Zusammenhang 
mit dem G7-Gipfel sei nicht auszuschließen. Ein Bekennerschreiben liegt 
bislang aber nicht vor. "Wir haben sie relativ früh am Ring gestoppt, so
 dass sie nicht in die Stadt reinkamen. Sonst wäre vermutlich noch mehr 
passiert", sagte er. In der City feierten am Wochenende 300000 Menschen 
das Stadtfest. 
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte: "Wir werden gemeinsam mit 
der Polizei vor Ort und dem Innenministerium über das Thema 
Polizeipräsenz reden müssen, auch das Thema Bereitschaftspolizei in 
Leipzig gehört auf die Tagesordnung." Das A&O sei die Präsenz, 
pflichtete der Polizeipräsident bei. "Die dürfen überhaupt nicht zur 
Entfaltung kommen." Für das Wochenende war die Polizei in der Stadt in 
erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Nun überlege er eine Soko 
einzurichten, die sich mit der Aufklärung der Anschläge befasst.
 Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU)  kündigte erste Konsequenzen 
an. "Wir müssen die Strategie bei der Arbeit gegen die 
linksextremistische Szene überdenken", sagte er. Er versprach Merbitz 
"volle Unterstützung bei der verstärkten Arbeit gegen Linksextremismus".
Es war bereits der fünfte Angriff dieser Art in diesem Jahr in Leipzig. 
Ziele waren bisher Polizeireviere, Amtsgericht und Ausländerbehörde. 
"Das Maß ist voll", erklärte Leipzigs SPD-Chef Hassan Soilihi Mzé, 
"Leipzigs Zivilgesellschaft darf sich derartige, gegen Menschen und 
Sachen gerichtete Gewaltexzesse nicht bieten lassen." Soilihi Mzé: 
"Diese Leute stellen sich demonstrativ und zunehmend offensiv gegen 
unsere demokratische Stadtgesellschaft." Es sei für ihn unerheblich, ob 
die Randalierer gegen den G7-Gipfel aufbegehrten oder nicht. Was sich 
hier abgespielt habe, "ist kein politischer Protest, sondern politisch 
motivierte Gewalt - feige, kriminell und dumm".
Wer den Weg der Brutalität und Zerstörung zur Auseinandersetzung wähle, 
passe nicht nach Leipzig, erklärte der Vorsitzende der 
Kommunalpolitischen Vereinigung der Leipziger CDU, der 
Bundestagsabgeordnete Thomas Feist. "Diese Menschen brauchen wir hier 
nicht", sagte er, "diese Menschen wollen wir hier nicht. Diese 
abscheuliche Gewalt müssen wir aus Leipzig verbannen."
 Auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian 
Hartmann, verurteilte die Ausschreitungen. Er forderte als Konsequenz 
eine erhöhte Polizeipräsenz. "Gleichzeitig ist zu überlegen, das 
Operative Abwehrzentrum um eine Komponente zu verstärken, die sich 
konkret mit der Aufklärung von Straftaten des linksextremen Spektrums in
 Leipzig befasst", sagte er.  Der Staat müsse sich mit aller Kraft gegen
 die Feinde der Demokratie zur Wehr setzen.
 "Diese Tat steht für mich in einer Linie mit den Angriffen auf den 
Polizeiposten in Connewitz", sagte Albrecht Pallas, innenpolitischer 
Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. In Leipzig habe sich eine militante 
Gruppe etabliert, die den Staat nicht nur ablehnt, sondern mit gut 
organisierten Aktionen in schneller Abfolge angreift. "Das hat nichts 
mit einer kritischen Haltung gegenüber der aktuellen Politik oder 
bestimmten politischen Meinungen zu tun."
