Leipzig. Der gewalttätige Übergriff auf eine Frau in Altlindenau bringt ihn womöglich hinter Gitter. Enrico Böhm, seit Ende 2014 für die rechtsextreme NPD im Leipziger Stadtrat, ist am Donnerstag am Leipziger Amtsgericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu acht Monaten Haft verurteilt worden - ohne Bewährung. Die Entscheidung gegen den 32-jährigen Mediengestalter ist aber noch nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft hatte elf Monate Freiheitsentzug ohne Bewährung 
beantragt, die Verteidigung hingegen Freispruch. Ob sie Berufung 
einlegt, war gestern noch unklar.
 "Der Angeklagte hat eine 
unbeteiligte und unbescholtene Person angegriffen. Es gibt nichts 
Schlimmeres als das und bedarf eines harten Urteils", begründete 
Strafrichter Mathias Winderlich seine Entscheidung. Er war zweifelsfrei 
davon überzeugt, dass Böhm am 25. April 2014 einer "nichts ahnenden und 
unbedarft durchs Stadtgebiet" fahrenden Radlerin einen Fußtritt gegen 
den Oberkörper versetzt, die Frau verletzt und als "Zeckenschlampe" 
beschimpft hat. Die Auszubildende befand sich auf dem Weg zum Einkauf in
 den Supermarkt. Dabei kam sie in der Gemeindeamtsstraße rein zufällig 
an einer Gruppe vorbei, die wegen einer eingeschlagenen Audi-TT-Scheibe 
aufgebracht war. "Ich habe selten eine Zeugin erlebt, die so relativ 
unbefangen, ruhig und bildhaft schilderte, was passiert war. Ich hätte 
selbst auf dem Fahrrad sitzen können", meinte der Richter. Die 
29-Jährige war geschockt: "Ich konnte nicht glauben, dass man auf 
offener Straße angegriffen wird." Noch etwa ein halbes Jahr lang 
beschäftigte sie dieser Vorfall. "Sie haben sich nicht in der Gewalt und
 können sich nicht zurücknehmen. Sie haben in laufender Bewährungszeit 
weitere Straftaten begangen", so der Richter zum Angeklagten, wobei er 
auf dessen 13 Vorstrafen verwies. 2009 war der NPD-Mann wegen 
Körperverletzung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. 
Am Amtsgericht ist zudem noch ein Verfahren wegen gefährlicher 
Körperverletzung anhängig.
 Oberstaatsanwalt Ralf-Uwe Korth 
sprach von "cholerischen Auswürfen" des Angeklagten, der sich als 
"Rächer der Nation" gegenüber einer unschuldigen und unbeteiligten 
Person aufgeführt und Selbstjustiz geübt habe. Ein Mitglied des 
Stadtrats, gleich welcher Partei oder Fraktion, "kann nicht so 
entgleisen", meinte Korth. Das Opfer sowie auch eine Augenzeugin hatten 
Böhm auf Fotos, die ihnen die Polizei vorgelegt hatte, sowie auch im 
Gerichtssaal als Angreifer identifiziert. Dennoch meinte Verteidiger 
Mario Thomas: "Der Tatnachweis ist nicht geführt." Er begründete das mit
 einer verfahrenswidrigen Vorlage der Lichtbilder durch die Polizei. 
Auch die Wiedererkennung im Gerichtssaal habe wegen Suggestion wenig 
Beweiswert, weil Zeugen glaubten, wer auf der Anklagebank sitze, sei 
auch der Täter. Böhm hatte zu dem Fall geschwiegen.
 Vom Vorwurf 
der versuchten Nötigung einer Jobcenter-Mitarbeiterin sprach das Gericht
 den Angeklagten - wie vom Verteidiger gefordert - frei. Seine Bemerkung
 "Sie werde den Kopf unter dem Arm tragen" erfülle nicht den Tatbestand,
 sei eine Redewendung. Oberstaatsanwalt Korth hatte indes auf schuldig 
plädiert. Das Verfahren um Missbrauch der Polizei-Notrufnummer war auf 
Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
