Bevor es in diesem Jahr zum 30.04. erneut mit einer antikapitalistischen Demonstration unter dem Motto „Organize“ durch den Wedding und Prenzlauer Berg geht, gibt es im Vorfeld ab dem 24.04.2015 eine Aktionswoche. Hier sollen sich Leute kennen lernen und die Inhalte der Demonstration im Weddinger Kiez bekannt gemacht werden. Neben einem Graffiti-Jam und zahlreichen Info-Veranstaltungen ist auch am 26.04. eine Open-Air-Kino-Vorführung von „Buy Buy St. Pauli“ unter Anwesenheit von einem der Filmemacher auf dem Leopoldplatz geplant. So sollen stadtpolitische Inhalte für alle Menschen auf einfache Weise zugänglich gemacht werden. Denn die im Film behandelten Themen rund um stadtstrukturelle Aufwertungsprozesse in Hamburg sind ebenso für Berlin brandaktuell. Doch dabei gibt es ein Problem. Die örtliche Kirchengemeinde verbietet dem organisierenden „Hände Weg Vom Wedding“-Bündnis die Nutzung des Platzes.
Wie ist das möglich? 
Vor einigen Jahren ist der vordere Teil des Weddinger Leopoldplatzes 
vollständig in den Besitz der Evangelischen Nazarethkirchengemeinde 
übergegangen. Als private Eigentümerin betreibt sie den Platz seitdem 
ganz unchristlich im Sinne berlinweiter Aufwertungsprozesse. Als 
Erstes wurden ein paar Platznutzungsregeln verabschiedet, welche 
peinlich genau festlegen, wer den Platz nutzen darf und wer nicht. Vor allem
 die Menschen, die nicht in das Bild eines sauberen und schicken 
Viertels passen, werden einfach rausgeschmissen. So wurde zuerst die 
örtliche Trinker*innen-Szene gezwungen, vom vorderen Teil des Platzes in 
einen so genannten „Trinkerkäfig“ weiter hinten „umziehen“. Das ist wohl Nächstenliebe in Zeiten neoliberaler Stadtpolitik.
Unpolitische Kirchengemeinde
Doch auch politische Veranstaltungen sind der Kirche und allen voran dem Gemeindekirchenratsvorsitzende n
 Sebastian Bergmann ein Dorn im Auge. Bereits im letzten Jahr erbat das 
„Hände Weg Vom Wedding“-Bündnis untertänigst die Erlaubnis zur Nutzung 
des Leopoldplatzes für eine Open-Air-Vorführung des Films „Mietrebellen“.
 Diese wurde uns von der Kirche mit dem Verweis auf ihre politische 
Neutralität verwehrt. Wie allerdings eine Institution politisch neutral 
sein soll, die bei der Eröffnung des Leopoldplatzes Statdpolitiker wie 
Michael Müller oder Carsten Spallek hofiert, ist das Geheimnis der 
Kirchengemeinde. Auch ein gerichtliches Eilverfahren änderte nichts und 
die Veranstaltung musste auf dem öffentlichen Teil am Rand des 
Leopoldplatzes stattfinden. Dennoch kamen über dreihundert Menschen und 
setzten ein deutliches Zeichen gegen Gentrifizierung und kirchliche 
Ignoranz.
Neues Jahr – neues Glück
Doch von diesem ersten Rückschlag wollten wir uns als Bündnis nicht 
einschüchtern lassen. Wir denken, dass der vordere Teil des 
Leopoldplatzes aufgrund seiner alltäglichen Nutzung einen grundsätzlich 
öffentlichen Charakter aufweist. Dementsprechend sollten dort auch 
politische Veranstaltungen stattfinden dürfen, auch wenn er in privatem 
Besitz ist. Eine solche Einschätzung beruft sich auf das so genannte „Fraport-Urteil“
 des Bundesverfassungsgerichts von 2011, indem es um Demonstrationen in 
den Gebäuden des Frankfurter Flughafens ging. Auf dieser Grundlage 
wollten wir für unsere Kundgebung am 26.04. eine rechtskräftige 
Erlaubnis zur Platznutzung, auch gegen den Willen der Kirche, 
erstreiten. In der ersten Instanz wurde unserer Einstweiligen Verfügung 
vom Amtsgericht Wedding auch stattgegeben.
Jetzt wird’s spannend…
Doch wie jetzt bekannt wurde, geht die Nazarethkirchengemeinde in 
Berufung, um uns mit allen Mitteln vom Platz fernzuhalten. Die Vehemenz 
mit der hier gegen eine stadtpolitische Gruppe und ihr Anliegen, über 
städtische Aufwertungsprozesse zu informieren, vorgegangen wird, erstaunt
 schon. Dennoch liegt in dieser Berufung auch eine Chance, denn sollte 
das erstinstanzliche Urteil nun erneut bestätigt werden, 
ist seine Ausstrahlung auch über unseren Fall hinaus um Einiges größer. 
Bestenfalls kann es zu einem Referenzpunkt für ähnliche Fälle in anderen
 Teilen der BRD werden und so das 
„Fraport-Urteil“ teilweise ergänzen. Aber egal, was passiert, wir als
 „Hände Weg Vom Wedding“-Bündnis lassen uns nicht von der Nutzung des 
Platzes abhalten. Wer mit uns für den Erhalt öffentlicher Räume kämpfen 
möchte, kommt am 26.04. ab 18 Uhr auf den Leopoldplatz oder zu den 
anderen Veranstaltungen unserer Aktionswoche und natürlich zur großen 
antikapitalistischen Demonstration „Organize“ am 30.04.
Der Wedding gehört allen. Spekulant*innen, Politiker*innen, Aufwertungsprofiteur*innen und Gentrifizierungsakteur*innen sagen wir nur: HÄNDE WEG VOM WEDDING!
Mehr Infos unter: haendewegvomwedding.blogsprot.eu

