Polizeichef Bernd Merbitz spricht mit Journalisten über den Umgang bei Legida
Rechte Demonstranten attackieren Journalisten und die Polizei schaut zu. Dann wird ein Fotograf am Rande von Legida auch noch von einem Polizisten geschlagen. Die Vorfälle haben das Verhältnis zwischen Medien und Ordnungshütern merklich belastet. Ein Gespräch im Polizeipräsidium soll wieder Vertrauen schaffen. Dabei kommt erwartungsgemäß nicht viel heraus.
Die Polizei hat die Medien zur »lockeren Gesprächsrunde« in die Dimitroffstraße eingeladen. Da sitzen sie nun, Mitarbeiter von Fernsehen, Radiosendern, Zeitungen und Magazinen, gespannt darauf, was Polizeipräsident Merbitz und seine Sprecher zu sagen haben. Zum Lockermachen erkundigt sich Leipzigs oberster Polizist erst einmal nach dem aktuellen Erkenntnisstand in Sachen Jan Böhmermann und eventuell montierte Stinkefinger. Dann schickt er seiner Ansprache noch ein paar warme Worte vorweg: »Sie haben es ja genauso schwer wie wir.« Auch Journalisten müssten wegen Pegida und Legida viele Überstunden machen. Dass die Konkurrenz im Internet den Druck auf das Mediengeschäft erhöht habe, dass man deshalb immer als erstes von vorderster Front berichten müsse, das verstehe er. »Der allergrößte Teil von Ihnen berichtet relativ objektiv«, meint er noch, bevor es an die kritischen Punkte geht.
»Man wirft der Polizei vieles vor, das ich einfach nicht mehr hören kann.« Gemeint ist die Anschuldigung, bei den Legida-Teilnehmern seien die Ordnungshüter nachlässiger, was Vermummung angehe. Das stimme nicht. Man prüfe genau, dass sich dort an die Regeln gehalten werde und ob strafbare Aussagen auf der Legida-Bühne getätigt oder strafbare Symbole im Publikum gezeigt würden. »Es geht auch nicht spurlos an mir und meiner Familie vorbei, wenn die dort rufen, Merbitz ist ein Volksverräter«, sagt er und kann dann doch nicht dem Reflex widerstehen, gleich im nächsten Atemzug den Gegenprotest anzugreifen, von dem auch Gewalt ausgehe.
Die Wellen schlugen hoch, als Journalisten beim Legida-Marsch über den Leipziger Ring am 21. Januar von vermummten rechten Demonstranten attackiert wurden und die Polizei nicht eingriff. Eine Wochen später veröffentlichte die Gewerkschaft Verdi einen Brief, in dem sie Einschränkungen der Pressefreiheit befürchtete und mangelnde Unterstützung durch die Polizei beklagte. Das Schreiben stinkt dem Polizeichef, soviel wird in der Runde deutlich. »Offene Briefe schüren etwas«, sagt er. Stattdessen wünscht er sich, man möge sich bei Problemen direkt mit ihm in Verbindung setzen.
Bei der Frage, wer denn nun die Verantwortung für den unterlassenen Schutz trage, drucksen Merbitz und seine Sprecher eine Weile herum. Natürlich müssten Medien von dort berichten, wo es brenne. Aber eigentlich müssten sich Fotografen und Autoren auch des Risikos bewusst sein, das von Demonstranten ausgehe, die Medien für Lügenpresse hielten. Allerdings: Wenn die Kollegen bei den Demos dann mit Helmen ausgestattet seien, »gefällt mir das überhaupt nicht«, sagt Merbitz. »Das sieht dann schon so aus, als ob sie von Ausschreitungen ausgehen.« Wie jetzt? Auf eigene Verantwortung über die Legidisten berichten, dann aber keine Vorkehrungen zum eigenen Schutz treffen dürfen? Der Sinn dieses Pressegesprächs bleibt irgendwie nebulös.
»Sie müssen sich klar sein: Wenn Sie sich in den Innenraum von Legida begeben, dann sind sie im maßgeblichen Handlungsraum der Polizei«, sagt Merbitz. Natürlich dürften sich Reporter bei Demos dorthin bewegen, wo sie hin wollten. Aber an manchen Stellen müsste seine Polizei dann einfach handeln. »Niemand unter den Polizisten will Journalisten etwas böses tun«, sagte er. Käme doch ein Medienvertreter zu Schaden, werde das vollumfänglich aufgeklärt. »Haben Sie aber auch bitte Verständnis für meine Beamten.« Die seien seit Wochen überlastet. »Hier kommen Einheiten aus Niedersachsen, denen braucht man keine Karte mehr in die Hand zu drücken. Die kennen sich inzwischen in der Stadt aus.«
Einer der Reporter berichtet dann noch von Attacken durch Legida-Ordner auf Journalisten. Polizeisprecher Andreas Löpki entgegnet: »Wir lesen von solchen Vorfällen dann auch hinterher in der Presse. Aber nur selten wird uns das auch angezeigt.« Das ist als Ermutigung in Richtung Medienvertreter gemeint. »Bitte zeigen Sie das an. Das ist wichtig, wenn wir uns zum Kooperationsgespräch mit den Legida-Anmeldern treffen und Auflagen diskutieren.« Dann könne etwa verhindert werden, dass auffällig gewordende Legidisten zu Ordnern gemacht werden.
„Immer wieder bedanken sich Legida-Teilnehmer nach ihrer Demonstration bei uns. Ich lege darauf überhaupt keinen Wert. Wir sprechen keiner Seite unsere Sympathie aus«, will der Polizeichef zum Schluss klarstellen. Es sei nun eben der gesetzliche Auftrag an die Einsatzkräfte, für ein friedliches Versammlungsgeschehen zu sorgen. So weit, so bekannt. Mehr kommt allerdings auch nicht rum.
Draußen in der Sonne gesellt sich der Polizeichef noch zu den Rauchern unter den Reportern, schüttelt Hände, versichert den Kollegen, dass er doch ein Guter ist, der nichts gegen Medien hat. Das stimmt höchstwahrscheinlich sogar. Dass es bei der nächsten turbulenten Versammlung wieder zu unschönen Begegnungen zwischen allen Seiten kommen wird, ist leider auch wahrscheinlich. Aber gut, dass wir mal drüber gesprochen haben.
CLEMENS HAUG