Homophobe Demo in Stuttgart

Gegen Homo- und Trans*phobie

Wenige Tage vor der nächsten "Demo für alle" in Stuttgart warnt die AfD vor einem "Gender-Feldzug unter der Regenbogenflagge". Auch die CDU springt wieder auf den Zug auf.

Die AfD-nahe "Initiative Familienschutz" hat in den letzten Tagen wieder eine homophob motivierte Kampagne gestartet. Anlass ist diesmal ein geplanter Aktionsplan der baden-württembergischen Landesregierung gegen Homo- und Transphobie.


Wie beim Thema Schulaufklärung im selben Land und in Schleswig-Holstein startet sie den Protest anhand unfertiger Planungen, die der Initiative erneut zugespielt wurden, vermutlich seitens der CDU. Die Organisatoren aus dem Haus der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch warnen nun, die Landesregierung plane "in den Hinterzimmern" mit "queeren Lobbygruppen" ein "Bürger-Umerziehungsprogramm", das "in skandalöser Weise Grundrechte und -freiheiten der Bürger beschneiden" und "in beinahe jeden Lebensbereich der Menschen in Baden-Württemberg eingreifen" wolle.

"Wir müssen aufstehen bevor es zu spät ist!", schreibt die Initiative wenige Tage vor der von ihr organisierten nächsten "Demo für Alle" in Stuttgart am Samstag. Erneut ist ihr damit ein Coup gelungen: Die "Stuttgarter Nachrichten" nahmen den überzogenen Aufschrei vom Rand der Gesellschaft ernst und berichteten (zu einem Bild mit Schülern im Kleidchen): "Sexuelle Vielfalt wird wieder Streitthema im Land".

Und auch die CDU sprang – wie beim Streit um den Bildungsplan – erneut auf den homophoben Zug auf: So befürchtete CDU-Bildungsexperte Georg Wacker in der Zeitung, dass das Thema "sexuelle Vielfalt" über den Aktionsplan in die Schulen komme: "Wir wollen Toleranz, aber es kann nicht sein, dass man das Thema so hoch hebt". Eine Idee des Aktionsplans – ein drittes Geschlecht auf Formularen – nannte er "abwegig" und "völlig unverständlich".

 

AfD warnt vor "Propagierung" eines "Lebensentwurfs"

 

Der größte Protest kommt freilich von der AfD: Bernd Kölmel, Landessprecher der Partei in Baden-Württemberg, forderte auf Facebook, den Aktionsplan sofort zu stoppen. Das "Ministerium gegen die traditionelle Familie wird unter vermeintlicher Führung der Ministerin Altpeter zum neuen orwellschen Wahrheitsministerium geformt", so der Europaabgeordnete. "Im sogenannten Sozialministerium ist das Hauptquartier einquartiert, das nun gemeinsam mit den LSBTTIQ-Kommissaren den nächsten Gender-Feldzug unter der Regenbogenflagge plant."

Das Ziel sei "die Etablierung und dauerhafte Finanzierung eines Netzwerkes von Gender-Gedankenpolizisten, die in Zukunft in alle sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse hineinwirken sollen, um deren Lebensentwurf staatlich zu propagieren", so Kölmel, als würden sich Menschen ihre sexuelle Orientierung selbst aussuchen und sollten dabei beeinflusst werden. "Die Rotlinken und Grünlinken können es nicht lassen, den Menschen ihrer Ideologie gemäß formen und umerziehen zu wollen."

Kölmel meinte weiter, die Landesregierung sei "Gefangene der absurden, fixen Gender-Gaga-Idee". Die AfD stelle sich gegen den "in seinem Ansatz totalitären Aktionsplan" und "gegen die absurde Überhöhung des Themas der Sexualität und Geschlechtlichkeit in allen Facetten": "Schmieden wir eine breite Allianz und bringen wir den Protest wenn nötig auf die Straße."

Neben der Beteiligung an der "Demo für Alle" lädt die Partei am Vortag zu einem Talk über Bildungspolitik in Rastatt. Dort spricht außer Kölmel unter anderem Wolfgang Leisenberg; der christliche Unternehmer war kürzlich Haupt-"Experte" in einem AfD-Propagandavideo gegen Schulaufklärung (queer.de berichtete). In früheren Referaten hatte er davor gewarnt, dass diese Schüler in ihrer sexuellen Orientierung verunsichern könne. Auch führe die angebliche "Sexualisierung" von Kindern zu einem "seelisch verkrüppelten Menschen".

 

Große Aufholarbeit

 

Der Aktionsplan "Akzeptanz und gleiche Rechte", der sinnvoll Aufgaben für mehrere Ministerien bündelt, ist seit über zwei Jahren in Planung (queer.de berichtete); er soll vor der Sommerpause verabschiedet werden und hat ein Budget von rund 500.000 Euro im ersten Jahr. Neben Ministerien waren LGBT-Verbände und mit Hilfe einer Online-Umfrage auch "gewöhnliche" Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle in die Planung einbezogen. (Die "Initiative Familienschutz" kritisiert in dem Zusammenhang, dass Kirchen nicht gefragt wurden.)

Wie in anderen Bundesländern wird der Aktionsplan auch deshalb ein umfangreiches Paket, weil frühere Landesregierungen LGBT-Themen fast gar nicht angepackt haben. Er umfasst etwa die Sensibilisierung in Verbänden oder eine Weiterentwicklung der Lehrerfortbildung zum Thema. Insgesamt ist das Ziel, LGBT-Anliegen endlich angemessen zu berücksichtigen.

Der nun "geleakte" Zwischenstand enthält zugleich eine ganze Menge Wünsche, die nicht Teil des Aktionsplans werden. Die "Initiative Familienschutz" behauptet etwa empört: "Institutionen die nach Definition des Aktionsplans 'diskriminieren' (wie z.B. Kirchen- (steht wirklich genauso in dem Papier! )) soll die Unterstützung gestrichen werden und sie sollen keine Aufträge mehr erhalten". Allerdings ist davon in den Planungen der Landesregierung nicht nicht die Rede. Zwar gibt es die Punkte "Kirchenrecht unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ordnen" und "Kirchen dazu aufrufen, keine Diskriminierungen gegenüber LSBTTIQ-Arbeitnehmer/innen durchzuführen"; diese sind allerdings, teils wegen der Zuständigkeit des Bundes, mit Rot markiert und werden nicht Teil des Aktionsplan (anders übrigens als ein Punkt "Runder Tisch mit Kirchen").

Ohnehin sind viele Punkte, über die sich die "Demo für Alle" empört, rot markiert, etwa ein "LSBTTIQ-Lehrstuhl". Das an den Beratungen beteiligte Netzwerk LSBTTIQ fasst den aktuellen Stand des Aktionsplans weniger spektakulär zusammen: "Im Detail wurde beschlossen, dass erstens der Aktionsplan helfen wird in Baden-Württemberg Strukturen zu schaffen, um Lesben, Schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen diskriminierungsfreie Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen". Neben diesem öffenbar nötigen "Strukturaufbau" sind "Bildung, Anlaufstellen, Beteiligung, Menschenrechte und aktive Gestaltung" die weiteren Punkte (mehr Infos in den Links unter dem Artikel).

Bunter Gegenprotest in Stuttgart

Die "Demo für Alle" am Samstag wird bereits der sechste Anti-Bildungsplanprotest in Stuttgart innerhalb von 14 Monaten werden; bis zur nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2016 sind weitere Demonstrationen zu erwarten.

Erstmals seit langem wird es am Samstag wieder einen größeren Gegenprotest geben: Während der Stuttgarter CSD das Thema weiter ignoriert, ruft das Bündnis "Stuttgart ist und bleibt bunt" zu einem Protest "gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie" auf. Start ist um 14 Uhr am Schlossplatz.

Zu dem bunten Protestbündnis gehören u.a. die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. und der CSD Freiburg. Bei der Kundgebung, die als Teil der Internationalen Wochen gegen Rassismus geplant wurde und sich auch gegen Pegida und ähnliche Entwicklungen richtet, wird Alfonso Pantisano von "Enough is Enough" eine Rede halten.

 

Von Norbert Blech

http://www.queer.de