Gera. Im Süden Geras rumort es gewaltig. Seit knapp einer Woche ist bekannt, dass das Land im Ortsteil Liebschwitz bis zu 500 Asylbewerber unterbringen will. „Herr Lauinger, Sie geben unserem Ort den Todesstoß“, mahnt ein aufgebrachter Bürger bei einer Versammlung am Freitagabend. Andere machen mit Transparenten wie „Nein zum Heim“ oder „Asylflut nicht auf Kosten der Bürger“ ihrem Unmut Luft.
Es herrscht „Pegida“-Atmosphäre in Gera-Liebschwitz. „Herr Lauinger“ ist
 seit Dezember Thüringens Minister für Migration. Wegen dieser Aufgabe 
weht dem Grünen nun nicht nur kalte Geraer Abendluft entgegen, sondern 
auch geballte Wut. 1900 Menschen sind laut Polizei auf den Sportplatz 
gekommen. Warum, das stellt einer von ihnen unter tosendem Beifall klar:
 „Weil wir diese Einrichtung verhindern wollen.“ 
Dass der 
Protest anschwillt, ist seit Tagen im Internet abzusehen. Auf mehr als 
1500 Mitglieder ist binnen kurzer Zeit eine Facebook-Gruppe gegen das 
Flüchtlingsheim gewachsen. Dort tummeln sich auch bekannte Rechtsextreme
 aus der Region. Zudem wurden bereits 2600 Unterschriften gesammelt. 
Ortsteilbürgermeister Michael Schleicher wird nicht müde, zu betonen, 
500 Flüchtlinge seien für einen Ort mit gut 1400 Einwohnern zu viel. 
Nun
 versucht Dieter Lauinger stoisch, einen Fragenkatalog abzuarbeiten. 
Immer wieder unterbrochen von Zwischenrufen à la „Sie lügen uns an“ und 
höhnischem Gelächter, schildert der Grüne die Situation in den beiden 
Erstaufnahmeheimen in Eisenberg und Suhl. Sie platzen wegen der 
steigenden Flüchtlingszahlen aus allen Nähten. 
Nach Angaben des 
Ministers sollen in dem ehemaligen Berufsschulinternat in 
Gera-Liebschwitz maximal 500 Menschen untergebracht werden. Lauinger 
verspricht ein Sicherheitskonzept der Polizei, um den Bürgern Ängste vor
 steigender Kriminalität zu nehmen. Und er verteidigt die Entscheidung 
der Landesregierung pro Gera: „Zeigen Sie mir, welches andere Objekt 
besser geeignet wäre.“ 
Viele erhitzte Gemüter kann er damit 
nicht besänftigen. Eine junge Frau stürmt das Podium und schnappt sich 
ein Mikrofon. „Wollen Sie sich über alle diese Köpfe hinwegsetzen?“, 
ruft sie. „Ja oder nein?“ Lauinger windet sich, doch die Frage „Ja oder 
nein?“ schwillt zum Sprechchor aus Hunderten Kehlen an, gemischt mit 
„Wir sind das Volk“-Rufen. Ein anderer erklärt, die Veranstaltung sei 
aus seiner Sicht nur ein „demokratisches Deckmäntelchen“. Als später 
eine Frau um Verständnis für die Not vieler Flüchtlinge wirbt, wird sie 
gnadenlos ausgebuht. 
Es sind nicht alle gegen das Heim an diesem
 Abend, doch die Gegner sind eindeutig in der Überzahl. Nach mehr als 
zwei Stunden ist Schluss - vorerst. Denn die Diskussion geht weiter. Am 
19. März will sich der Geraer Stadtrat mit dem Thema befassen, mit 
Sicherheit begleitet von weiterem Bürgerprotest. Doch, selbst wenn er es
 wollte, gibt es nach Einschätzung der Stadtverwaltung kaum Handhabe 
gegen das Vorhaben des Landes. 
„Mir scheint, dass bei den 
meisten Menschen hier keine bestimmte politische Einstellung hinter dem 
Protest steht, sondern vielmehr eine große persönliche Betroffenheit“, 
sagt der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland nach der Runde.
 Aber viele würden Demokratie missverstehen, wenn sie reklamierten, ein 
solches Flüchtlingsheim dürfe nicht kommen, wenn die Mehrheit im Ort 
dagegen sei. Und Minister Lauinger verspricht, den Dialog mit den 
Menschen vor Ort nicht abreißen zu lassen: „Ich komme auch noch mal.“
